“Liste der Grausamkeiten”: Sparvorschläge in bayerischer Kirche

Protestanten müssen bis 2006 mit 100 Millionen Euro weniger auskommen

W ü r z b u r g (idea) – Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern erwartet einen dramatischen Rückgang ihrer Kirchensteuereinnahmen. Sie will ihren Haushalt bis zum Jahr 2006 deshalb um 100 Millionen auf rund 590 Millionen Euro kürzen. Jetzt hat ein Lenkungsausschuss der Landessynode, die vom 1. bis 5. April in Würzburg tagt, konkrete Sparvorschläge gemacht. Sie sehen eine Kürzung der Dienstbezüge und Gehälter um zehn Prozent vor. Mit dem Rotstift ist der Ausschuss über die Zuweisungen an EKD und Lutherischen Weltbund (LWB) gegangen. Die Hochwasserhilfe von 3,2 Millionen Euro soll entfallen, der Kirchliche Entwicklungsdienst (KED) 346.000 Euro weniger bekommen. Der LWB verliert pauschal 33 Prozent, was einer eingesparten Summe von mehr als einer halben Million Euro entspricht. Über die Sparvorschläge ist allerdings noch nicht entschieden. Die Eckdaten für den Haushalt 2004 will der Finanzausschuss der Landessynode bis Ende Juni festlegen.

Predigerseminar schließen

Die Unterstützung der evangelischen Publizistik könnte künftig stark eingeschränkt werden. Beim Evangelischen Presseverband (München) will der Lenkungsausschuss eine Million Euro sparen, was einem Drittel des gegenwärtigen Zuschusses entspricht. Das Rothenburger Sonntagsblatt soll seinen jährlichen Zuschuss von 155.000 Euro ganz verlieren. Kräftige Kürzungen hat auch der Bildungsbereich zu erwarten. Dem Religionspädagogischen Zentrum Heilsbronn soll ein Drittel (900.000 Euro) des Zuschusses genommen werden. Der Ausschuss schlägt außerdem vor, das Predigerseminar in Nürnberg zu schließen (Einsparung: 425.000 Euro). Die evangelische Landvolkshochschule Pappenheim soll kein Geld mehr bekommen, was die Kirche um 586.000 Euro entlastet. Die Kirchlichen Dienste in der Arbeitswelt könnten auf die Hälfte gestutzt werden (ein Minus von einer Million Euro). Dem renommierten Windsbacher Knabenchor gehen voraussichtlich jährlich 743.000 Euro verloren, dem Nürnberger Amt für Gemeindedienst 600.000 Euro. Außerdem empfiehlt der Ausschuss, die Kirchensteuerämter aufzugeben. Diese Behörden sind eine bayerische Besonderheit. Ihre Aufgabe wird in allen anderen Landeskirchen und Bundesländern vom Staat wahrgenommen. Das solle künftig auch in Bayern geschehen, wobei die Verwaltungskostenpauschale für den Staat von 2 auf 2,2 Prozent des Kirchensteueraufkommens angehoben werden müsste.

“Wir müssen uns der Zukunft stellen”

Die Sparvorschläge lösten in der Synode erhebliche Irritationen aus. Pfarrer Hermann Ruttmann (Krautostheim bei Bad Windsheim) nannte das Papier eine “Liste der Grausamkeiten”, andere Synodale sprachen von einer “Giftliste”. Fritz Schroth (Bischofsheim/Rhön) wies darauf hin, dass man angesichts der hohen zu erwartenden Kirchensteuerausfälle mit dem Sparen anfangen müsse. “Wir müssen uns der Zukunft stellen, sonst haben wir keine Zukunft.”