Irak-Krieg: Die Kirchen trauern um die Opfer auf allen Seiten

EKD-Ratsvorsitzender: Hoffentlich hat der Schrecken bald ein Ende

D ü s s e l d o r f / B e r l i n / N e w  Y o r k (idea) – Der Beginn des Irak-Kriegs hat in den Kirchen Trauer um die Opfer auf allen Seiten ausgelöst und die Friedensgebete verstärkt. “Ich kann nur hoffen, dass der Schrecken und die Bedrohung bald ein Ende haben”, erklärte der EKD-Ratsvorsitzende, Präses Manfred Kock (Düsseldorf). “Lähmende Angst” habe sich über die Menschen im gesamten Nahen und Mittleren Osten gelegt. Nach Ansicht des berlin-brandenburgischen Bischofs Wolfgang Huber (Berlin) ist die Militäraktion der USA und ihrer Verbündeten ein Bruch des Völkerrechts und kein gerechter Krieg. “Ich verkenne die Verbrechen und die Gefährlichkeit Saddam Husseins nicht”, versicherte Huber. Der irakische Diktator sei “besonders zynisch und menschenverachtend”. Die Befürchtung, er verfüge über Massenvernichtungswaffen, sei nicht von der Hand zu weisen. Ihn zu entwaffnen, sei aber auch das erklärte Ziel der Vereinten Nationen gewesen. Von der Kriegserklärung als “äußerstem Mittel” könne daher nicht die Rede sein. Huber, der dem Rat der EKD angehört, kritisierte ferner, dass von beiden Seiten religiöser Glaube zur Kriegslegitimation in Anspruch genommen werde. Saddam Hussein habe von einem Heiligen Krieg gesprochen. Ebenso falsch sei es, wenn US-Präsident George W. Bush mit den Worten “Gott segne Amerika” um Segen für den Kriegszug bitte. Der Segen Gottes lasse sich nicht für die eigene Sache in Anspruch nehmen, er lasse sich nur mit anderen teilen, sagte Huber in einem Friedensgottesdienst, an dem auch der katholische Erzbischof von Berlin, Georg Kardinal Sterzinsky, der koptisch-orthodoxe Bischof Damian und der Vorsitzende des Ökumenischen Rates Berlin-Brandenburg, Baptistenpastor Dietmar Lütz, beteiligt waren. Unter den Besuchern waren Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD), CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer und die CDU-Bundestagsabgeordneten Jochen Borchert und Hermann Gröhe sowie Christa Nickels und Volker Beck von den Grünen.

Kirchenpräsident: Die Fernsehbilder blenden

Ähnlich wie Huber äußerte sich der kurhessen-waldeckische Bischof Martin Hein (Kassel): “Wir widersprechen jedem, der sich in diesem Krieg auf Gott beruft.” Der hessen-nassauische Kirchenpräsident Peter Steinacker (Darmstadt) und der katholische Bischof von Limburg, Franz Kamphaus, warnten vor einer Gewöhnung an den Krieg. Man dürfe sich nicht von den Fernsehbildern blenden lassen. Sie wollten eine “ästhetische Distanz errichten”. Steinacker: “Dort wo diese Bilder entstehen, wird wirklich gestorben, werden Menschen zerfetzt.”

Baptisten: Hoffentlich kommt es nicht zu Christenverfolgungen

Zum Gebet für einen raschen Frieden haben auch die Präsidenten des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (Baptisten- und Brüdergemeinden), Raimund Utsch (Marl) und Siegfried Großmann (Seesen) die 86.000 Mitglieder dieser größten deutschen Freikirche aufgerufen. Man beklage, dass die USA und Großbritannien die Möglichkeiten der UN nicht ausgeschöpft hätten, den Irak mit friedlichen Mitteln zu entwaffnen. Man hoffe und bete, daß es zu keinen größeren Christenverfolgungen komme.

Militärbischöfe: Deutsche Soldaten indirekt betroffen

Auch der Evangelische Militärbischof Hartmut Löwe (Bonn) und sein katholischer Amtskollege Walter Mixa (Eichstätt) beten für ein rasches Ende der Kriegshandlungen. Sie machen darauf aufmerksam, dass deutsche Soldaten zwar nicht an diesem Krieg teilnehmen, sie aber von der veränderten Gefährdungslage betroffen sein könnten, etwa in Kuwait und Afghanistan. Die Miltärgeistlichen stünden an der Seite der Soldaten und leisteten Seelsorgedienste. Bei einer Tagung der Konferenz Europäischer Kirchen in Madrid hieß es, die Europäische Union müsse zu einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik zurückfinden. Priorität für die Arbeit der KEK-Kommission Kirche und Gesellschaft sei “die Klärung der Rolle von Religionen in Konfliktsituationen”.

Moslems beteiligen sich an Friedensgebeten

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (Eschweiler) hat die Moslems zur Teilnahme an Friedensdemonstrationen und Gebeten aufgerufen und zur Friedfertigkeit gemahnt. An einigen Orten versammelten sich Moslems und Christen zu gemeinsamen Bittgottesdiensten, etwa in zwei evangelischen Kirchengemeinden in Bremen. Wegen der ablehnenden Haltung der Kirchen zur Irak-Krieg hat es mancherorts Kircheneintritte gegeben.

Die meisten Amerikaner halten den Krieg für richtig

In den USA haben sich die meisten Kirchen gegen den Irak-Krieg ausgesprochen. Die größte protestantische Kirche, der 16 Millionen Mitglieder zählende Bund der Südlichen Baptisten, hält den Waffengang jedoch für gerechtfertigt. Präsident Bush hat inzwischen eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung hinter sich. Einer nach Kriegsbeginn durchgeführten Umfrage der New York Times und der Rundfunkanstalt CBS zufolge halten 62 Prozent der 280 Millionen Bürger den Militärschlag für richtig. 35 Prozent meinen, dass man den UN-Waffeninspekteuren hätte mehr Zeit lassen sollen.