Gottesbezug in europäischen Verfassungen

Brüssel (epd). Erstmals wird sich der EU-Konvent in dieser Woche mit Änderungsanträgen befassen, die einen Gottesbezug in der geplanten EU-Verfassung verankern wollen. Konventsmitglieder aus Beitrittsländern und Vertreter der europäischen Christdemokraten machen sich für eine Ergänzung stark, die sich an die polnische Verfassung anlehnt. Dort verweist die Präambel auf «die Wertvorstellungen derjenigen, die an Gott als Quelle der Wahrheit, Gerechtigkeit, des Guten und des Schönen glauben». Auch diejenigen, die die «universellen Werte aus anderen Quellen ableiten» werden in der Präambel erwähnt.

Aber nicht nur Polens Verfassung kennt einen Gottesbezug. Eine «invocatio dei» (Anrufung Gottes) oder andere Formeln zum religiösen Erbe finden sich auch in den Verfassungen jetziger und künftiger EU-Mitglieder. Ausdrückliche Gottesformeln enthalten die Verfassungen von Griechenland und Irland. Die griechische Verfassung setzt ein mit den Worten: «Im Namen der Heiligen, Wesensgleichen und Unteilbaren Dreifaltigkeit.»

Irlands Verfassung wird eröffnet mit dem Hinweis: «Im Namen der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, von der alle Autorität kommt und auf die, als unserem letzten Ziel, alle Handlungen sowohl der Menschen wie der Staaten ausgerichtet sein müssen...». Die Verfassung der Slowakei beruft sich in der Präambel auf das geistige Erbe der Heiligen Kyrill und Method. In der Schweiz wird die Präambel der Bundesverfassung mit dem Satz eingeleitet: «Im Namen Gottes des Allmächtigen!». In Malta hält die Verfassung fest: «Die Religion von Malta ist die Römisch-Katholische Apostolische Religion.»

In der Präambel des deutschen Grundgesetzes heißt es im ersten Satz: «Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen... hat sich das Deutsche Volk ... dieses Grundgesetz gegeben.» Nach der Wiedervereinigung war ein Vorstoß des ostdeutschen Theologen Wolfgang Ullmann in der gemeinsamen Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat, den Gottesbezug im Grundgesetz zu streichen, am Widerstand der großen Parteien gescheitert.

Skeptisch schätzt der Kirchenrechtler Rik Torfs die Bestrebungen ein, einen Gottesbezug in der EU-Verfassung zu verankern. Bei diesem symbolträchtigen Thema könnten die Kirchen womöglich mehr verlieren als gewinnen, warnt der Wissenschaftler von der Universität Löwen. Er empfiehlt stattdessen, dass sich die Kirchen auf ihre eigentlichen Anliegen bei der Verfassungsberatung konzentrieren.

Rüdiger Noll von der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) plädiert dafür, dass der Bezug auf das geistig-religiöse Erbe, der in der Präambel zur Grundrechte-Charta steht, Teil des Verfassungstextes wird. Zudem setzen sich KEK und die Kommission der katholischen Bischofskonferenzen dafür ein, dass das Staat-Kirche-Verhältnis auf nationaler und nicht auf europäischer Ebene geregelt wird. Deshalb soll die «Kirchenerklärung» des Amsterdamer Vertrages in die Verfassung aufgenommen wird. Danach respektiert die EU die Rechtsstellung, die Kirchen, Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsvereinigungen in den Mitgliedsstaaten besitzen.