EKD und Bischofskonferenz arbeiten an Gottesbezug in EU-Verfassung

“Verantwortung vor Gott und im Bewusstsein anderer Quellen menschlicher Verantwortung”

H a n n o v e r (idea). “Enttäuscht aber nicht überrascht” sind die katholische Deutsche Bischofskonferenz und die EKD über den Entwurf für die ersten 16 Kapitel der EU-Verfassung. Die von EU-Konventspräsident Valerie Giscard d’Estaing vorgestellte Fassung enthält keinen Gottesbezug. In Artikel 2 sind dagegen die “Werte der Union” (Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Achtung der Menschenrechte) formuliert. Eine Präambel ist bisher nicht vorgesehen. Dessen ungeachtet halten EKD und Bischofskonferenz weiter an einem Gottesbezug in der EU-Verfassung fest. Als denkbare Formulierung gilt in beiden Kirchen der Satz: “Im Bewusstsein der Verantwortung vor Gott und im Bewusstsein anderer Quellen menschlicher Verantwortung sind die Mitgliedstaaten und Bürger entschlossen, eine friedliche Zukunft zu gestalten.” Diese Formel ist das vorläufige Ergebnis eines Arbeitstreffens beider Kirchen am 14. Februar in Hannover. Dabei habe eine vergleichbare Formulierung der polnischen Verfassung als Vorbild gedient. Sie habe größere Erfolgschancen als die Präambel im deutschen Grundgesetz (“In Verantwortung vor Gott und den Menschen”), die die EKD ursprünglich favorisierte. Bischofskonferenz und EKD wollen bis Ende Februar ihren Vorschlag der Bundesregierung und dem EU-Konvent vorlegen. 2004 soll eine europäische Regierungskonferenz die EU-Verfassung verabschieden. Sie wird nicht vor 2006 in Kraft treten, da die einzelnen Länder sie erst noch ratifizieren bzw. in Volksabstimmungen bestätigen lassen müssen.

Chirac gegen Gottesbezug, Fischer unter Vorbehalt dafür

Unterdessen ist die Diskussion um den Gottesbezug in der EU-Verfassung in vollem Gange. Ablehnung signalisierte Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac. Der Zeitung “Le Figaro” sagte er, als laizistischer Staat lehne Frankreich einen Gottesbezug ab. Ähnlich äußerte sich EU-Konventspräsident Giscard d’Estaing. In der Wochenzeitung “Die Zeit” bezeichnete der frühere französische Staatspräsiddent einen Gottesbezug als “nicht angebracht”. EU-Komissionspräsident Romano Prodi will nach Angaben seines Sprechers “eine Formulierung, die niemanden ausschließt”. Sie müsse die Werte umfassen, “in der sich alle Europäer wiedererkennen können, ohne dass jemandes Gefühle verletzt werden”. Für einen Gottesbezug sei der Artikel über die Werte der EU “nicht der richtige Platz”. Eine andere Frage sei, ob ein Bezug auf das kulturelle, geistige und religiöse Erbe der EU aufgenommen werden könne. Der deutsche Außenminister Joschka Fischer (Bündnis90/Grüne) sagte, er wolle sich für einen entsprechenden Kirchenartikel einsetzen. Angesichts der verschiedenen Verfassungstraditionen könne die Formulierung des deutschen Grundgesetzes aber nicht einfach übernommen werden.