Der Adler, der ein Geier war

Osnabrücker Zoo bietet Führungen mit der Bibel an

Von Martina Schwager (epd)

Osnabrück (epd). «Ochs und Esel gehören ebenso wenig zur weihnachtlichen Krippe wie das Kamel zu den Heiligen Drei Königen.» Eleonore Reuter versteht da keinen Spaß. «Wer Besucher mit der Bibel durch den Zoo führt, sollte genau wissen, was drin steht.» Die Diözesanleiterin für das katholische Bibelwerk im Bistum Osnabrück schult zurzeit über 40 Theologie- und Biologiestudenten. Sie werden von März an Besuchern des Osnabrücker Zoos die Tiere der Bibel erläutern.

Die katholische und die evangelische Kirche in Osnabrück bieten diese Führungen im Jahr der Bibel erstmals gemeinsam mit dem Zoo an. «Wir wollen die Tiere nicht einfach aufzählen, die in der Bibel eine Rolle spielen, sondern wir wollen sie unter theologischen Gesichtspunkten betrachten», sagt Reuter.

Der Dortmunder Zoo hatte bereits an Heiligabend und Neujahr zu Bibeltouren eingeladen, die auf ein großes Interesse stießen. Auch in Osnabrück ist die Nachfrage schon jetzt riesig. Anfragen von Vereinen, Frauengruppen, Theologen, Schulklassen liegen bereits vor. Eine Schule will sogar mit zehn Klassen gleichzeitig kommen. Der leitende Zoopädagoge Jörg Flisse rechnet auch für die Sonntage mit einem großen Ansturm, dem er mit jeweils zwei Teams begegnen wird.

Für Elenore Reuter bringt die biblische Tierwelt Gott den Menschen näher. Tiere ermahnten die Menschen zur Bewahrung der Schöpfung, seien ihre religiösen Vorbilder oder stellten selbst die Eigenschaften Gottes dar. So sei der Esel kein dummes Tier, sondern oftmals klüger als der Mensch. Im vierten Buch Mose bewahrt er den Propheten Bileam vor dem Schwert eines Engels.

Doch auch historische und zoologische Überraschungen warten auf die Zoobesucher. «Denn jede Generation hat versucht, die Welt der Bibel in die eigene Lebenswelt zu übertragen», sagt die Theologin. So ist der Adler im Alten Testament ursprünglich ein Geier, der wie Gott «sein Nest beschützt und über seinen Jungen die Schwingen ausbreitet». Erst bei der Übersetzung der Texte ins Griechische wurde aus dem Geier ein Adler, denn: «Die Griechen verehrten den Adler wegen seiner Kraft und Stärke.»

Ein Rätsel für Theologen und Zoologen gleichermaßen war lange Zeit der in der Bibel beschriebene Klippschliefer. «Um das Jahr 1000 herum wurde er in St. Gallen mit Murmeltier übersetzt. Luther schreibt Kaninchen», erzählt Eleonore Reuter. Zoologen hätten ihn lange für ein Nagetier gehalten, im 19. Jahrhundert für einen nahen Verwandten des Elefanten. Heute weiß man, dass die Klippschliefer Gemeinsamkeiten mit den Unpaarhufern wie Zebras besitzen und stellt sie in eine eigene Ordnung.

Die Besucher werden nach der Führung wissen, dass weder Ochs noch Esel mit Maria und Josef an der Krippe saßen. Diese Vorstellung ist laut Reuter erst im dritten Jahrhundert zum ersten Mal aufgetaucht, inspiriert durch Jesaja 1, Vers 3: «Der Ochse kennt seinen Besitzer und der Esel die Krippe seines Herrn.»