Bibelforscher leisten Pionierarbeit

2.000 Jahre alter Septuaginta-Text wird erstmals ins Deutsche übersetzt

Von Sabine Schmidt-Gerheim (epd)

Koblenz (epd). Bibelforscher aus dem In- und Ausland sind mit ihrer Pionierarbeit gut voran gekommen: Die deutsche Übersetzung der über 2.000 Jahre alten Septuaginta ist fast abgeschlossen. Die Bibel der Urchristenheit, die auf jüdische Gelehrte in Alexandrien zurückgeht, soll Ende 2005 erstmals als deutsche Gesamtausgabe mit Erläuterungen in zwei Bänden erscheinen, kündigt der Koblenzer Theologe Wolfgang Kraus an. Einer Legende zufolge sollen damals 72 Übersetzer die fünf Bücher Mose in 72 Tagen übersetzt haben, daher der Name Septuaginta, was in Latein «die Siebzig» bedeutet.

Ein internationales Team von rund 80 Bibelwissenschaftlern arbeitet an der Mammutaufgabe. 53 Bücher des griechischen Alten Testamentes müssen zuverlässig übersetzt, in «lesbares Deutsch» gebracht und wissenschaftlich erläutert werden, sagt Kraus. Beteiligt sind Fachleute des Alten und des Neuen Testamentes, Altphilologen, Althistoriker, Judaisten, Ägyptologen und Experten früher Kirchengeschichte aus Deutschland, Österreich, den Niederlanden, Belgien, Frankreich, Australien und den USA.

Die Septuaginta gilt als älteste und bedeutendste Übersetzung des Alten Testaments und wurde im frühen Christentum unverändert beibehalten. Für jedes Buch der Schrift gibt es nach Auskunft von Kraus «einen Spezialisten». Am Institut für Evangelische Theologie der Universität in Koblenz werden die Ergebnisse der Bibelforscher koordiniert und zu einem Gesamtwerk verschmolzen. Der Erläuterungsband, der wie die eigentliche Übersetzung allein rund 2.500 Seiten umfasst, steht noch bevor.

Eine Gesamtausgabe der Septuaginta in einer modernen Sprache gibt es bisher nur in einer englischen Version aus dem 19. Jahrhundert, sagt Kraus. Derzeit arbeiteten auch Wissenschaftler in Frankreich, Italien, Spanien, USA, Kanada und Israel an Übersetzungen in die jeweilige Landessprache.

Im internationalen Vergleich sei die Bibelübersetzung in Deutschland am weitesten gediehen, meint Kraus, der gemeinsam mit dem Wuppertaler Neutestamentler Martin Karrer die beiden Bände bei der Deutschen Bibelgesellschaft herausgeben will. Beide haben das 1999 gestartete Übersetzungsprojekt an der Universität Koblenz-Landau auch initiiert.

Aus der Sicht der Wissenschaftler schließt das Projekt eine Lücke. Die Bibelübersetzung führe die Breite des jüdischen Denkens vor Augen, seine Eigenart in hellenistischer Zeit und seine Vielfalt um die Zeitenwende. Der christlich-jüdische Dialog könne dadurch neue Impulse erhalten.

Großes Interesse zeigten auch die orthodoxen Kirchen, berichten die Herausgeber. Die rund 600.000 in Deutschland lebenden orthodoxen Christen könnten die Übersetzung zur Bibellektüre nutzen. Viele Gläubige aus Griechenland verstünden kaum noch die ursprüngliche Schrift, die in Gottesdiensten nach wie vor in Altgriechisch gelesen wird.

Auch für Studenten der Theologie und des Lehramtes für Religion sei die deutsche Fassung der Septuaginta fast unentbehrlich, meint Kraus. Das «schwierige Griechisch» könne in Kursen kaum noch vermittelt werden. Denn die humanistische Schulbildung, die noch Altgriechisch auf dem Lehrplan hatte, schwinde. Die Kosten des auf sechs Jahre befristeten Übersetzungsprojektes schätzt Kraus auf rund 500.000 Euro. Hauptgeldgeber seien die Evangelische Kirche im Rheinland, die Deutsche Bibelgesellschaft und die Universität Koblenz-Landau.