Modernes Bild der alten Weihnachtsgeschichte

Bremer gestalten monumentales Gemälde für ARD-Fernsehgottesdienst

Von Dieter Sell (epd)

Bremen (epd). Auf den ersten Blick erinnert wenig an die altbekannte Maria. Eine junge Frau mit einem Baby auf dem Arm irrt durch die zugigen Straßenschluchten von New York. Nirgendwo ein Stall, keine himmlischen Heerscharen. Die Szene auf dem fünf Meter hohen Ölgemälde ist das Werk einer elfköpfigen Malgruppe unter der Leitung des Bremer Künstlers Jens Bommert. Am Heiligen Abend steht es im Mittelpunkt eines Gottesdienstes, den das Erste Deutsche Fernsehen um 16 Uhr live aus der evangelischen St.-Stephani-Kirche in Bremen überträgt.

Ein Jahr hat sich die Gruppe im Mitmachmuseum der Bremer Kunsthalle auf diesen Nachmittag vorbereitet. Ausgangspunkt war die Weihnachtsgeschichte im Lukas-Evangelium und die Darstellung der Heiligen Nacht von Bartolomé Esteban Murillo. Der barocke spanische Maler gestaltete vor 350 Jahren in bekannter Manier ein Bild mit dem Kind in der Krippe, das die Gruppe um Bommert in Form eines Plakates hoch über den Köpfen der Passanten zitiert. «Wir wollten Murillo nicht neu malen», blickt Bommert zurück.

Nichts Feierliches sollte auf der Leinwand entstehen, sondern ein Bild, das Fragen aufwirft: Was bedeutet Weihnachten heute? Ist die Geschichte von den Hirten auf den Feldern um Bethlehem immer noch genauso anrührend und bewegend wie damals? Freizeitmalerinnen wie Antje Warfelmann-von Bonin gingen über Monate diesen Fragen nach, lasen schon im Frühling die biblische Weihnachtsgeschichte und einigten sich dann auf einen gemeinsamen Entwurf.

So entstanden 15 Bilder, die zusammengesetzt einen Augenblick in New York zeigen, das als Schmelztiegel der Welt symbolisch für einen Ort fernab jeder weihnachtlichen Idylle steht. Statt der sonst obligatorischen Engel dominieren grelle Werbebotschaften das Bild. «'Kaufe, dann hast du Frieden', scheint die zentrale  Botschaft zu sein», beschreibt Warfelmann-von Bonin. Hirten sind nicht zu sehen, nur Männer und Frauen, die geschäftig umherlaufen. Sie nehmen keine Notiz von der modernen Maria mit dem Kind auf dem Arm.

Für die Malerinnen symbolisiert das Werk die Sehnsucht, dass die Botschaft der Liebe die Zeit überdauert. «Wie eine Brücke der Hoffnung scheint sich ein unsichtbarer Bogen von der Gestalt der jungen Mutter mit ihrem Kind hinauf zu Murillos Licht der Krippe zu spannen», sagt Antje Warfelmann-von Bonin. Und der Kern der alten Geschichte taucht auch hier auf. Denn wieder ist es Maria, die dem Kind in der aufgeregten Bilderwelt der Großstadt Schutz, Geborgenheit und Wärme gibt. (11775/19.12.02)