Ein Heiliger für alle - Nikolaus

Von Christian Feldmann (epd)

Regensburg (epd). «Wenn Gott jemals sterben sollte, dann würden wir den heiligen Nikolaus zum Gott machen», verkündet ein slawisches Sprichwort. So stürmisch haben ihn die Menschen geliebt. Dass Nikolaus einmal als der größte Heilige überhaupt galt und in der griechischen Kirche gleich nach der Jungfrau Maria im Kalender der Vollendeten genannt wurde, ist kaum bekannt. Man verehrte ihn als Schutzpatron der Schiffer und Fischer, der Getreidehändler und Apotheker, ja sogar der Diebe und Räuber.

Um ihn ranken sich so viele Legenden wie um kaum einen anderen Heiligen. Er selbst aber ist keine legendäre Figur. Im vierten Jahrhundert hat es tatsächlich einen Bischof Nikolaus in Myra gegeben, an der Mittelmeerküste der heutigen Türkei. Als die erste uns bekannte Lebensbeschreibung verfasst wurde, war Nikolaus allerdings schon fast fünf Jahrhunderte tot.

Man erzählte sich, das große Vermögen, das ihm seine Eltern hinterlassen hätten, habe ihn nicht hartherzig gemacht, sondern ihm Gelegenheit gegeben, bedürftige Mitmenschen zu unterstützen. Ein Traum habe die versammelten Bischöfe der Provinz bewogen, den angesehenen und beliebten Nikolaus zum Oberhirten der Provinzhauptstadt Myra zu wählen. An einem 6. Dezember um die Mitte des vierten Jahrhunderts sei er friedlich entschlafen.

Am Anfang der Nikolausverehrung im Abendland steht ein abenteuerlicher Reliquienraub: Schiffer und Geschäftsleute aus Bari entführten seine Gebeine 1087 aus Myra nach Italien. Bari wurde ein Wallfahrtszentrum, das mit Rom und Santiago de Compostela konkurrieren konnte. «San Niccolo, prega per noi! - Heiliger Nikolaus, bitte für uns!», so rufen und singen Zehntausende entzückter Menschen auch heute noch, wenn sein Fest in Bari gefeiert wird, mit lichtergeschmückten Gondeln, Feuerwerk, Tanz, Musik und Jahrmarktsbuden.

Um 1500 zählen die Historiker bereits mehr als zweitausend Nikolauskirchen, - Kapellen, - Hospitäler und - Klöster in Europa. Vor allem in Frankreich wird Nikolaus zum Familiennamen (Nicot, Collot, Colson).

In Venedig existiert nahezu unbemerkt von den Touristenströmen ein prächtig ausgestattetes Kirchlein, das San Niccolo di Mendicoli, dem Schutzpatron der Bettler, geweiht ist. Die Gemeinde der Ausgestoßenen fühlte sich unter ihrem mächtigen Schutzheiligen stark genug, sich einen eigenen Dogen zu wählen, der sich vor keinem Herrscher beugte und einmal im Jahr dem Dogen im Markuspalast einen kollegialen Besuch abstattete.

Aus den zahllosen Geschichten und Legenden schält sich das Bild eines ungewöhnlich menschenfreundlichen Kirchenmannes heraus, volksnah und von einer enormen Ausstrahlung. Aus den Legenden sprechen Güte, Mut und Zivilcourage. Nikolaus entspricht dem Bild der Barmherzigkeit Gottes.

Am bekanntesten wurde die Geschichte von den drei Jungfrauen: In der Nähe der berühmten Basilika Saint-Nicolas-de-Port in Lothringen gibt es heute noch eine Rue des Trois-Pucelles, eine Drei-Jungfrauen-Straße. Ein Witwer, so berichtet die Sage, hatte ohne eigenes Verschulden sein Vermögen verloren und konnte seinen drei Töchtern im heiratsfähigen Alter keine Aussteuer mitgeben, was damals von entscheidender Bedeutung war.

Schon hatte er sich entschlossen, die Mädchen in die Fremde zu schicken (nach alten Quellen sogar in ein Bordell), da erfuhr der Bischof von seiner Not und warf ihm nachts unbemerkt einen Beutel mit Geld durch das Fenster. Genug, um die älteste Tochter zu verheiraten. Das tat der Bischof - aus Freude über den umsichtigen Umgang des Vaters mit der Spende - noch zwei Mal, bis ihn der dankbare Mann erkannte. Solche frommen Märchen mögen zu dem Glauben geführt haben, dass Nikolaus reich und glücklich macht, dass er heiratslustigen Mädchen besonders zugetan und ein Freund der Kleinen und Armen ist.