Wenn die Kirche zum Hochseilgarten wird

Nach einem katholischen Modellprojekt richten auch Protestanten Jugendkirchen ein

Von Ulrike Millhahn (epd)

Hannover/Oberhausen (epd). Eine Woche lang wurde die Kirche zum Hochseilgarten. Unter fachkundiger Anleitung konnte Anfang November jeder, der sich traute, den speziellen «Kick» beim Klettern spüren: Aus zehn Metern Höhe ergaben sich völlig neue Perspektiven. Und die sind gewollt in Deutschlands einziger Jugendkirche «Tabgha» in Oberhausen. Das katholische Modellprojekt macht jetzt auch bei den Protestanten in Frankfurt, Stuttgart und Hannover Schule.

Für den Münchener evangelischen Theologieprofessor und Jugendforscher Ulrich Schwab liegt die Notwendigkeit auf der Hand. «Viele Jugendliche erleben ihre Kirchengemeinde nicht als den spannenden und lebendigen Ort, an dem sie gern ihre Freizeit verbringen», sagt er. Die Aufgabe einer Jugendkirche sei deshalb, den Heranwachsenden einen gastfreundlichen Raum zu bieten, der speziell für sie geschaffen wurde.

In der Frankfurter City wird dies im nächsten Frühjahr geschehen. Dann wird die Sankt-Peters-Kirche zu einer «Jugend-Kultur-Kirche» umgerüstet. Die Stadt und der regionale Kirchenverband beteiligen sich genauso wie die hessen-nassauische Kirche an der Finanzierung, sagt Projektleiter Willi Schönauer. In Stuttgart sucht man noch Sponsoren, da die Mittel der Gesamtgemeinde und der württembergischen Landeskirche nicht ausreichen. Jugendpfarrer Gerald Büchsel hofft aber, in der zweiten Jahreshälfte 2003 mit dem Umbau der Martinskirche beginnen zu können.

In Hannover hat nach der Landeskirche jetzt auch der evangelische Stadtkirchenverband grünes Licht gegeben. Spätestens im Sommer 2004 soll es in der Lutherkirche in der Nordstadt losgehen: Ohne Kirchenbänke, dafür mit ausgefeilter Lichttechnik und professioneller Musikanlage. Jugendpastor Martin Bergau betont: «Wir wollen aber kein weiteres Jugendzentrum anbieten, sondern als Kirche erkennbar bleiben.»

Dass dies funktionieren kann, beweist «Tabgha» seit zwei Jahren. Die Oberhausener Jugendkirche, die nach dem biblischen Ort der wundersamen Brotvermehrung benannt wurde, lockt immer wieder mit spektakulären Veranstaltungen. So kam es neben dem Kletterprojekt «Zwischen Himmel und Erde» auch bereits zu einem Skate-Event «Halfpipe to Heaven».

Die Kirche, in der sechs Rampen aufgebaut waren, gehörte an diesem Tag von Mittag bis Mitternacht den Meistern auf acht Rollen. An der Messe mit Eucharistiefeier am Abend nahm knapp die Hälfte der 300 Skater teil: «Bei uns gibt es keine Veranstaltung ohne den Brückenschlag zwischen Jugendkultur und christlicher Botschaft», sagt Jugendpfarrer Bernd Wolharn.

«Die Jugendlichen reagieren sehr sensibel auf jegliche Form der Vereinnahmung», ist Wolharns vorläufiges Fazit nach knapp der Hälfte des fünfjährigen Projektes des Bistums Essen. Manche kämen nur einmal, andere öfter. «Einige, die anfangs nur tanzen wollten, sprechen inzwischen freie Fürbitten im Gottesdienst», sagt er und fügt hinzu: «Die Jugendkirche braucht einen langen Atem und muss immer wieder den Spagat zwischen Neuem und Kontinuität wagen.»