Stimmungsumschwung in der Ökumene?

Bischöfe Käßmann und Huber plädieren auf EKD-Synode für neuen Weltbund reformatorischer Kirchen

Von Renate Kortheuer-Schüring (epd)

Timmendorfer Strand (epd). «Mit einem gewissen Krach rein, mit einem gewissen Krach raus», schildert Margot Käßmann ihre 19-jährige Mitarbeit in Gremien des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK). Sie spricht bewegt und fast etwas heftig, ihr Engagement für die Ökumene hat die hannoversche Bischöfin nicht aufgegeben, wenn auch ihre Mitgliedschaft im ÖRK-Zentralausschuss. Auf der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD)wurde am Dienstagabend das ganze Ausmaß der Krise des Weltkirchenrats sichtbar.

Nach jahrelanger Frustration und Lähmungserfahrungen in der ökumenischen Zusammenarbeit mit den orthodoxen Kirchen zogen Käßmann und der Berliner Bischof Wolfgang Huber, der im ÖRK-Exekutivausschuss mitgearbeitet hatte, in Timmendorfer Strand Konsequenzen: Falls sich der Weltkirchenrat zu einem eher unverbindlichen «Forum» entwickelt, sollte es ein neues Organ der reformatorischen Kirchen auf Weltebene geben, forderten sie.

Käßmanns Rat ist zwar zunächst abzuwarten, was sich beim ÖRK tue. Aber ihre Prognose fällt pessimistisch aus: «Nach dem, was ich jahrelang erlebt habe, bin ich recht skeptisch.» Hintergrund ist ein lange schwelender Konflikt mit den orthodoxen Kirchen, die sich im ÖRK nicht recht beheimatet und übergangen fühlten. Eine Sonderkommission, die 1998 auf der Vollversammlung des ÖRK in Harare eingesetzt wurde, legte Anfang September einen Abschlussbericht vor, der das Gesicht der ÖRK deutlich verändern wird.

Die Kritik am ÖRK-Kompromiss entzündet sich an mehreren Punkten: Für Käßmann sind dem Weltkirchenrat vor allem die «geistlichen Grundlagen abhanden gekommen». So soll es künftig keine gemeinsamen Gottesdienste mehr geben, sondern lediglich Gebete. Die orthodoxen Kirchen stellten klar, dass sie sich selbst als «heilige, apostolische Kirche» verstehen, die anderen Konfessionsfamilien aber nicht als Kirche anerkennen und damit auch deren Taufe und Ämter nicht. Die Wertschätzung des «geistlichen Lebens» der Protestanten werde so negiert, sagt die 44-jährige Theologin.

«Die Protestanten sagen jetzt, auch bei uns gibt es eine theologische Schmerzgrenze», so Käßmann. «Wir haben Grundüberzeugungen, die wir nicht zur Disposition stellen. Der Bogen ist überspannt.» Einen unaufgebbaren Punkt unterstrich dabei die EKD-Synodale Gisela Brackert: die Öffnung der Ämter für Frauen, die den Orthodoxen ein Dorn im Auge ist. «Die Frauenordination ist ein Schatz unserer Kirchen,» sagte Brackert, «nichts was wir verstecken oder planieren müssten».

Am neuen Zuschnitt der Zusammenarbeit im ÖRK wurde von Huber und Käßmann zudem das Konsensverfahren kritisiert: Danach kann eine Minderheit jedes ihr missliebige Thema von der Tagesordnung nehmen. Dies lasse den ÖRK nach außen völlig wirkungslos werden, befürchten die beiden Bischöfe. Zu guter Letzt spielt auch die bedrohliche finanzielle Lage des ÖRK eine Rolle. Die Hälfte der Mitglieder zahlt nach Angaben des Berliner Bischofs keine Mitgliedsbeiträge. Empfehlungen des ÖRK-Finanzausschusses seien im Genfer Stab über Jahre hinweg ohne Einfluss geblieben.

Spätestens wenn im Jahr 2006 in Porto Alegre (Brasilien) die nächste Vollversammlung des ÖRK ansteht, wird sich klären, wohin die Reise geht. Denkbar ist, dass es bei einem Leitungstreffen des Lutherischen und des Reformierten Weltbunds im gleichen Jahr erste weiterführende Überlegungen zu einem neuen Weltbund geben wird - um die Sprachfähigkeit der Kirchen der Reformation auf Weltebene zu erhalten.

Angesichts des Stimmungsumschwungs in der Ökumene gab sich die Spitze der EKD auf Ausgleich bedacht. Die Vision sei «faszinierend», sagte der EKD-Ratsvorsitzende, Manfred Kock, in der Synodendebatte. «Aber meine Skepsis ist groß.» Zugleich mahnte er, die Hoffnung auf Einigung mit den Orthodoxen nicht aufzugeben. Die weitere Mitarbeit der EKD im ÖRK - das betonten auch Huber und Käßmann - ist unstrittig.