EKD-Ratsvorsitzender: Christliches Menschenbild gehört zum gesellschaftlichen Wertekonsens - EKD-Synode eröffnet

Timmendorfer Strand (epd). Das christliche Menschenbild gehört nach Worten des Ratsvorsitzenden der evangelischen Kirche, Manfred Kock, untrennbar zum Wertekonsens der heutigen Gesellschaft. "Dieses Fundament brauchen wir, wenn es um die Frage nach der Würde des Menschen geht", sagt Kock am Sonntag vor der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) im Ostseebad Timmendorfer Strand. Er kritisierte zudem, dass Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) in seiner Regierungserklärung die Kirchen nicht erwähnt habe.

Eine Gesellschaft, die die Grundlagen ihres Menschenbilds nicht mehr beachte, "stirbt an Verantwortungslosigkeit", sagte Kock zum Auftakt der Synode in seinem Bericht. Das Kirchenparlament, das rund 26,6 Millionen Protestanten repräsentiert, tagt bis Freitag mit dem Schwerpunktthema "Was ist der Mensch?".

Erneut warnte der EKD-Ratsvorsitzende vor einem von den USA angedrohten Krieg gegen den Irak. Ein militärisches Eingreifen der USA ohne UN-Mandat hätte keine völkerrechtliche Legitimität, sagte Kock. Eine deutsche Beteiligung an einem Präventivkrieg sei auch aus Gründen der Verfassung nicht möglich.

Die Bedenken in der Kirche gegen den Krieg in Afghanistan schienen im Rückblick "eher gerechtfertigt als ausgeräumt", erklärte Kock. Der Krieg habe zwar partielle Fortschritte im Kampf gegen das Terrornetzwerk Al Kaida gebracht, die Organisation sei aber offenbar noch nicht zerschlagen. Zudem habe der Krieg Tausende unschuldiger Opfer unter der Zivilbevölkerung gefordert. Kock warnte vor einer Aushöhlung von Grund- und Menschenrechten im Zuge der Terrorismusbekämpfung.

Der Dialog mit dem Islam ist nach Ansicht von Kock unabdingbar. "Mehr als drei Millionen Muslime leben in unserem Land. Somit haben wir zum Dialog keine Alternative", sagte der Ratsvorsitzende. Dieser sei allerdings "nicht einfacher geworden". Trotz aller Schwierigkeiten im Dialog gelte es, diejenigen Kräfte Kräfte im Islam zu stärken, die für Toleranz und Zusammenleben eintreten.

Kock beklagte ferner Defizite bei der Integration von Zuwanderern. Angesichts der Finanznöte des Staates sei die Versuchung groß, bei den Integrationsmaßnahmen zu sparen, sagte der Ratsvorsitzende und rheinische Präses. Die Eingliederung der Zuwanderer sei jedoch eine "zentrale Zukunftsaufgabe für unser Land".

Angesichts des Klimawandels und der jüngsten Flutkatastrophe in Ostdeutschland forderte Kock dazu auf, das Verhältnis zur Natur neu zu überdenken. Die Bundesregierung müsse ihre "wieder entdeckte Sensibilität für ökologische Fragen" jetzt in entschlossenes Handeln umsetzen. Außerdem rief Kock zu mehr persönlicher Bereitschaft zum Konsumverzicht auf, um Gerechtigkeit und Fairness im globalen Maßstab zu erreichen.

Der Ratsvorsitzende ging auch auf die kirchliche Reformdebatte ein. Er forderte "positive und spürbare Ergebnisse" von Landeskirchen und Kirchenbünden, "und dies so zügig wie möglich". Bei den Reformplänen geht es im Kern um die Abschaffung der lutherischen, reformierten und unierten Kirchenzusammenschlüsse und ihre Eingliederung in die EKD.

Strukturkonservativismus, der in gesellschaftlicher Hinsicht manchmal zu beklagen sei, dürfe die evangelische Kirche nicht lähmen und reformunfähig machen, mahnte der Ratsvorsitzende. Der größtmögliche Schaden bei der Diskussion entstünde, wenn am Ende "wegen Unfähigkeit zum Konsens oder aus purer Erschöpfung" keinerlei Reformen erreicht würden.

Kock würdigte die ökumenischen Beziehungen, die sich kontinuierlich vertieften. Allerdings gebe es einige "ungelöste Probleme und Schmerzpunkte", zum Beispiel, dass die katholische Kirche einem gemeinsamen Abendmahl nicht zustimmen könne. An die Verantwortlichen des ersten ökumenischen Kirchentags 2003 in Berlin appellierte er aber, die Überzeugung der katholischen Kirche zu respektieren. (10051/3.11.2002)