Neue Analyse: Keine Unterwanderung der EKD durch die Stasi

W e t z l a r (idea) – Dem Ministerium für Staatssicherheit  (MfS) in der ehemaligen DDR ist es nicht gelungen, die EKD und kirchliche Einrichtungen systematisch zu unterwandern oder gar in den Griff zu bekommen. Zu diesem Ergebnis kommt Oberkirchenrat i.R. Uwe-Peter Heidingsfeld (Hannover), in einer idea-Dokumentation mit dem Titel “Kirchlich relevante Aspekte der Westarbeit des MfS”. Er wertete dazu die Datenbank SIRA der Hauptverwaltung Aufklärung des MfS aus, die Informationen aus dem Zeitraum zwischen 1969 und 1987 umfaßt. Der Behörde für die Stasi-Unterlagen war es Ende 1998 nach jahrelanger Arbeit gelungen, elektronische Datenträger der Stasi, die der Vernichtung entgangen waren, wieder lesbar zu machen. Bei seinen Recherchen stieß Heidingsfeld auf keine hochrangigen evangelischen Kirchenvertreter im Westen Deutschlands, die mit der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) der Stasi zusammengearbeitet haben. “Insgesamt, so scheint es, war Kirche in der Bundesrepublik Deutschland, einschließlich Berlin (West), für die HVA kein zentrales Thema”, so der Autor.

Eine Reihe von IM informierten die Stasi über Kircheninterna

Er wertet 48 Fälle aus, in denen Personen kirchliche Interna an die Stasi weitergegeben haben. Elf von ihnen hätten intensiv über die Kirche berichtet. Teilweise seien die Klarnamen der Informanden bis heute nicht bekannt. Heidingsfeld geht ausführlich auf neun Fallbeispiele ein. So erhielt die Stasi von einem Inoffiziellen Mitarbeiter (IM) mit dem Decknamen “Kellner” interne Informationen aus Leitungsgremien der Evangelischen Kirche der Union (EKU). Ein IM “Baer” gab unter anderem Einschätzungen aus dem Rat der EKD sowie deren Kammer für Öffentliche Verantwortung weiter. Der inzwischen verstorbene Leipziger Professor für Ökumenik, Siegfried Krügel (IM “Lorac”), informierte die HVA schwerpunktmäßig über den Weltkirchenrat, den Lutherischen Weltbund, mitunter auch über die EKD. Dokumentiert ist auch der Fall des Bonner Prominenten-Pfarrers Gottfried Busch, der 1994 wegen fortgesetzter geheimdienstlicher Tätigkeit für die Stasi zu 18 Monaten Gefängnis auf Bewährung und 30.000 Mark Geldstrafe verurteilt worden war.

Kaum Verurteilungen kirchlicher Mitarbeiter wegen Spitzelei

Heidingsfeld zufolge hat es nur wenige Strafverfahren gegen kirchliche Mitarbeiter gegeben, die mit einer Verurteilung endeten. In den meisten Fällen habe entweder das vorhandene Material nicht ausgereicht, um Anklage zu erheben, oder die Straftaten seien bereits verjährt gewesen. Eine wissentliche und willentliche Tätigkeit kirchlicher Mitarbeiter mit der Stasi sei unvereinbar mit dem kirchlichen Dienstrecht gewesen. Der Autor verweist darauf, daß die Stasi ihre Informationen über die evangelischen Kirchen auch durch illegale Lauschaktionen gewann. So seien die von der Berliner Stelle des Kirchenamtes der EKD geführten Telefongespräche zumindest in den Jahren 1988/89 lückenlos abgehört worden. Heidingsfeld leitete von 1986 bis 1991 diese Stelle und wurde vom MfS ab 1986 in einer Operativen Personenkontrolle bearbeitet.