Bundesverfassungsgericht: Bezeichnung «Sekte» nicht diffamierend

Karlsruhe (epd). Die Bundesregierung darf religiöse Vereinigungen oder weltanschauliche Bewegungen grundsätzlich als «Sekte» oder «Jugendreligion» bezeichnen. Diffamierende, diskriminierende oder verfälschende Darstellungen wie «destruktiv» und «pseudoreligiös» seien dagegen nicht mit der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates vereinbar, erklärte das Bundesverfassungsgericht am Dienstag in Karlsruhe in einem Beschluss zu staatlichen Informationen im religiös-weltanschaulichen Bereich. (Az.: 1 BvR 670/91) Vereine der Meditationsbewegung «Osho» hatten von der Bundesregierung gefordert, nicht als «Sekte», «Jugendsekte», «Jugendreligion» «Psychosekte» oder als «destruktiv» und «pseudoreligiös» bezeichnet zu werden. Zwischen den Jahren 1979 und 1984 erhob die Regierung gegen die Bewegung zudem den Vorwurf der Manipulation von Mitgliedern. Das Bundesverfassungsgericht gab der Verfassungsbeschwerde der Vereinigung nun zum Teil statt und hob ein Urteil des Oberverwaltungsgerichtes (OVG) Nordrhein-Westfalen auf. Die Bezeichnung der Osho-Bewegung als «Sekte», «Jugendsekte», «Jugendreligion» und «Psychosekte» sei verfassungsrechtlich zwar «bedenkensfrei», so der Erste Senat. Die Kennzeichnung als «destruktiv» und «pseudoreligiös» sowie der Manipulationsvorwurf genügten den verfassungsrechtlichen Anforderungen dagegen nicht. Solche Äußerungen seien nur gerechtfertigt, wenn sie durch gewichtige oder konkrete Tatsachen gestützt würden. Die Karlsruher Richter verwiesen den Fall daher an das Oberverwaltungsgericht NRW zurück. Insgesamt biete das Grundrecht der Religions- und Weltanschauungsfreiheit keinen Schutz dagegen, dass sich der Staat kritisch mit umstrittenen Vereinigungen auseinander setzt, hieß es. Die Osho-Bewegung hat ihre größte Verbreitung in Indien. Nach Angaben der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen in Berlin hat sie sich nach dem Tode des Gründers Osho in unterschiedliche spirituelle Gruppierungen gespalten. Genaue Zahlen über ihre Anhänger in westlichen Ländern liegen nicht vor.