Karlsruhe: Homo-Ehe verletzt nicht besonderen Schutz der Ehe

Karlsruhe (epd). Homosexuelle Paare können nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts weiterhin bei Behörden den Bund fürs Leben schließen. Die «Homo-Ehe» verletze nicht den besonderen Schutz von Ehe und Familie, entschied der Erste Senat am Mittwoch in Karlsruhe mit einer Mehrheit von fünf zu drei Stimmen. (Az.: 1 BvF 1/01 und 2/01). SPD, Grüne, FDP und PDS begrüßten das Urteil. Die Union erklärte, sie werde das Gesetz auch im Falle eines Wahlsiegs nicht rückgängig machen.

Das Verfassungsgericht stellte in dem Urteil fest, der Ehe drohten keine Einbußen durch ein Gesetz, das sich «an Personen wendet, die miteinander keine Ehe eingehen können». Der besondere Schutz der Ehe in Artikel 6 des Grundgesetzes hindere den Gesetzgeber daher nicht, für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften Rechte und Pflichten vorzusehen, «die der Ehe gleich oder nahe kommen».

Der Bundestagsabgeordnete Volker Beck (Grüne) nannte das Urteil «einen Sieg auf der ganzen Linie». Für die Kläger sagte der bayerische Justizminister Manfred Weiß (CSU), die Union werde die Entscheidung akzeptieren. Allerdings werde Bayern dem beim Vermittlungsausschuss liegenden Ergänzungsgesetz nicht zustimmen. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion in Berlin schloss ihre Zustimmung zum Ergänzungsgesetz ebenfalls aus. Der Gesetzentwurf dazu enthält die wichtigsten finanziellen Regelungen. Danach soll die Homo-Ehe auch im Einkommens- und Erbschaftssteuerrecht, bei der Rente und im Beamtenrecht der Ehe gleichgestellt werden.

Als Vertreter der Bundesregierung bezeichnete der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Eckhart Pick (SPD), die Entscheidung als «höchst erfreulich». Sie habe weitere Spielräume bei der gesetzlichen Gestaltung der Lebenspartnerschaft geschaffen, etwa im Mietrecht.

Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, stimmte der Senatsmehrheit allerdings nicht zu. Das Urteil setze keinerlei Grenzen für eine «substantielle Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften mit der Ehe», so Papier. Dies widerspreche dem Grundgesetz. Ähnlich äußerte sich Bundesverfassungsrichterin Evelyn Haas in ihrem Minderheitsvotum. Eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft sei nicht auf Kinder angelegt und leiste daher keinen Beitrag für die Zukunftsfähigkeit von Staat und Gesellschaft.

Beck sagte dazu, die Lebensrealität sei anscheinend noch nicht bei allen Richtern angekommen. Es gebe beispielsweise lesbische Partnerschaften mit vier Kindern. «Diese leisten doch mehr für die Gesellschaft als etwa die kinderlose Frau Merkel mit ihrem Mann», so Beck. Bestärkt durch das Urteil forderten die Grünen in Berlin das uneingeschränkte Adoptionsrecht für homosexuelle Paare. Das wollten sie nach der Bundestagswahl angehen, sagte Vorsitzende Claudia Roth.

Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Wolfgang Bosbach (CDU), erklärte, die Union akzeptiere die Karlsruher Entscheidung. Gleichwohl seien die Klagen der unionsregierten Länder Sachsen, Thüringen und Bayern notwendig gewesen. Das knappe Votum der Karlsruher Richter von fünf zu drei Stimmen zeige, dass es durchaus verfassungsrechtliche Einwände gebe. Der Abstand zur Ehe müsse gewahrt bleiben.

FDP und PDS begrüßten die richterliche Bestätigung der «Homo-Ehe». Es sei ein Gewinn für die Gesellschaft, wenn zwei Menschen auch rechtlich abgesichert Verantwortung für einander übernehmen könnten, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Jörg van Essen. PDS-Vorsitzende Petra Pau erklärte, nun gehe es darum weiter bestehende Benachteiligungen für gleichgeschlechtliche Partnerschaften zu beseitigen.

Einstimmig hatte der Erste Senat das parlamentarische Zustandekommen des Gesetzes als verfassungsgemäß bezeichnet. Es habe nicht der Zustimmung des Bundesrates bedurft. Da den Ländern die Bestimmungen der für die Ausführung des Gesetzes zuständigen Behörde überlassen seien, erlitten sie keinen Kompetenzverlust.

Das Lebenspartnerschaftsgesetz war im August vergangenen Jahres in Kraft gesetzt worden. Zuvor hatten die Karlsruher Richter bereits Eilanträge der Landesregierungen von Bayern, Sachsen und Thüringen auf vorläufigen Stopp des Regelwerks mit fünf zu drei Stimmen zurückgewiesen.

Die Rechtsfolgen bei der homosexuellen Lebenspartnerschaft ähneln teilweise der Ehe, weichen zum Teil aber auch davon ab. Die vor Behörden geschlossenen Partnerschaften haben unter anderem beim Erbrecht, beim Unterhalt sowie in der Kranken- und Pflegeversicherung vergleichbare Rechte wie heterosexuelle Eheleute. Ein Versorgungsausgleich bei Aufheben der Partnerschaft oder Regelungen über die Hinterbliebenenrente gibt es im Gegensatz zur Ehe jedoch nicht.

Bisher wurden Erhebungen zufolge bundesweit in elf Monaten rund 4.500 homosexuelle Lebenspartnerschaften nach dem neuen Gesetz geschlossen.