Bundespräsident Rau unterzeichnet Zuwanderungsgesetz

Berlin (epd). Bundespräsident Johannes Rau hat das umstrittene Zuwanderungsgesetz trotz Kritik am Zustandekommen unterzeichnet. Obwohl es gegensätzliche juristische Auffassungen gebe, habe er das Gesetz «nach sorgfältiger Prüfung» ausgefertigt, sagte Rau am Donnerstag in Berlin. Die unionsgeführten Bundesländer kündigten eine Klage beim Bundesverfassungsgericht an. Bei der Regierungskoalition stieß die Entscheidung Raus auf Zustimmung. Der Bundespräsident sei nur dann berechtigt, von der Unterzeichnung eines Gesetzes abzusehen, wenn «zweifelsfrei und offenkundig» ein Verfassungsverstoß vorliege, erläuterte Rau: «Zu dieser Überzeugung bin ich nicht gekommen.» Die endgültige Klärung verfassungsrechtlicher Fragen obliege dem Bundesverfassungsgericht. Die Union wolle nach der Verkündung des Gesetzes im Bundesgesetzblatt den Gang nach Karlsruhe antreten, teilte der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Erwin Marschewski, mit. Da die Klage keine aufschiebende Wirkung hat, kann das Zuwanderungsgesetz dennoch wie geplant zum 1. Januar 2003 in Kraft treten. Der Bundespräsident übte scharfe Kritik am Zustandekommen des Gesetzes. Er rügte den brandenburgischen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe (SPD) und seinen Stellvertreter, Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) für ihr unterschiedliches Stimmverhalten. Der inszenierte Streit im Bundesrat habe dem Ansehen von Staat und Politik geschadet. Er erwarte zudem Respekt vor seinem Amt, sagte Rau. Stolpe erklärte, er habe «hohen Respekt» vor der Entscheidung des Bundespräsidenten. Deutschland brauche ein Zuwanderungsrecht. Er hoffe, dass das Gesetz auch vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand habe. Zugleich warnte er davor, das Thema im Wahlkampf zu «missbrauchen». Bundeskanzler Gerhard Schröder zeigte sich zufrieden über die Entscheidung Raus. Er wollte sie jedoch nicht kommentieren. Auch Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) begrüßte das Votum. Damit sei der Weg frei für eine der modernsten Rechtsverordnungen, die es auf diesem Gebiet gebe. Die Bundesausländerbeauftragte Marieluise Beck (Grüne) bezeichnete die Entscheidung als «wohl abgewogen und begründet». Es gehe bei der Klage um formale Fragen. Die Notwendigkeit einer Reform stelle niemand in Frage. Auch die Vorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Claudia Roth, bekundete Freude über die Entscheidung. Rau habe damit den Zuwanderern einen guten Dienst erwiesen. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) bewertete es zudem als positiv, dass Rau auch «auf den Schatten hingewiesen hat, der durch die Vorgänge bei der Abstimmung im Bundesrat auf das Gesetz gefallen ist». Der Bundespräsident habe nachdrücklich an die Verantwortung der Parteien für die politische Kultur in Deutschland erinnert, sagte Pressesprecher Thomas Krüger in Hannover. Dieser Mahnung schließe sich die EKD an. Auch der Berliner evangelische Bischof Wolfgang Huber äußerte seinen Respekt für die Entscheidung Raus. Auf Zustimmung stieß das Votum Raus auch bei Wirtschaft und Gewerkschaften. Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Michael Rogowski, sagte, das Gesetz sei ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Michael Sommer, begrüßte, dass sich Rau «der Drohung der Unionsparteien, mit einer Verfassungsklage das Gesetz zu stoppen, nicht gebeugt hat». Der bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU) bedauerte dagegen den Schritt des Bundespräsidenten. Damit stelle sich Rau gegen die absolut überwiegende Meinung in der Staatsrechtslehre. Auch der baden-württembergische Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) äußerte Kritik an Rau. In der kommenden Woche werde die Landesregierung entscheiden, ob sich das Land am Normenkontrollverfahren in Karlsruhe beteiligen werde. In der entscheidenden Bundesratssitzung am 22. März hatte Brandenburg zunächst uneinheitlich abgestimmt. Nach mehreren Nachfragen wertete Bundesratspräsident Klaus Wowereit (SPD) das Votum als Zustimmung.