Studie untersucht familienpolitische Versprechen im Wahlkampf

Von Sabine Damaschke (epd) Düsseldorf (epd). Beruf und Baby? Für Claudine keine Frage: Nach sechs Monaten Erziehungsurlaub wollte die Französin wieder ganztags als Exportkauffrau in einem Düsseldorfer Unternehmen arbeiten. Doch als es so weit war, lernte sie ihren Chef von einer anderen Seite kennen. «Er hat mir klar gemacht, dass er mich so schnell nicht wiedersehen möchte», klagt Claudine. «Mein Kind sei noch viel zu klein, ich solle doch lieber drei volle Jahre Erziehungsurlaub nehmen und dann entscheiden, ob sich mein Job mit Kindern überhaupt vereinbaren lässt.» Claudine war schockiert. Aus Frankreich kannte sie das nicht. Dort sind über 80 Prozent der Frauen mit Kindern unter drei Jahren voll erwerbstätig. In Deutschland hingegen bleiben drei Viertel der Mütter mit Kleinkindern zu Hause - und träumen von einem Job. Sieben von zehn nicht erwerbstätigen Müttern wünschen sich eine Teilzeitstelle. Glauben sie den Parteien, so wird nach der Bundestagswahl im September ihr Traum von einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf Wirklichkeit. Der Weg zum Ziel sieht je nach Partei allerdings anders aus. In einer Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung wurden die verschiedenen familienpolitischen Reformvorschläge untersucht. «Dabei haben wir festgestellt, dass geldwerte Leistungen bei allen Parteien klar im Vordergrund stehen», sagt die Referentin Christina Klenner. Kern der familienpolitischen Maßnahmen seien nach wie vor das Kindergeld und Kinderfreibeträge. Leistungen, die laut Studie aber hauptsächlich Familien mit hohem Einkommen zugute kommen. Auch die Möglichkeit, für drei Jahre Erziehungszeit zu nehmen und für maximal zwei Jahre Erziehungsgeld zu beantragen, werten die Autoren der Studie nicht als wesentlichen Schritt zu einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie in Deutschland. «Diese Vereinbarkeit kann nicht ohne eine öffentliche Infrastruktur erreicht werden, die Eltern von Betreuungsaufgaben entlastet», schreibt die Gießener Wirtschaftswissenschaftlerin Margit Schratzenstaller. Das Angebot an Betreuungseinrichtungen sei mangelhaft, gerade im europäischen Vergleich. Da es für Klein- und Schulkinder kaum verlässliche Betreuungsmöglichkeiten über Mittag gebe, arbeite ein Elternteil meist sehr reduziert oder gar nicht. So sind 36 Prozent der Mütter mit Schulkindern nicht erwerbstätig. Auch das Ehegattensplitting, das Alleinverdiener begünstigt, fördere das «traditionelle Ernährermodell», heißt es in der Studie. «Der Blick über unsere Grenzen zeigt, dass die derzeitige Diskussion über eine Abschaffung des Ehegattensplittings längst überfällig ist», meint Klenner. «Die Zukunft heißt: Bessere Arbeitszeitmodelle für Familien und mehr Betreuungseinrichtungen.» Nur so, darin sind sich die Verfasser der Studie einig, könnten auch die Geburtenraten wieder in die Höhe gehen. Im Jahr 2001 war Deutschland mit 1,4 Kindern pro Frau Schlusslicht in der Europäischen Union. Frankreich, Finnland und Schweden hingegen lagen an der Spitze. Drei Länder, in denen rund 80 Prozent der Frauen erwerbstätig sind, weil es eine umfassende öffentliche Kinderbetreuung gibt. Schweden könnte Deutschland hierbei als Vorbild dienen: Seit 1995 müssen die Kommunen für die ein- bis zwölfjährigen Kinder von berufstätigen oder studierenden Eltern öffentliche Betreuungsmöglichkeiten anbieten. Der erstaunliche Effekt: Seitdem ist die Geburtenrate bei berufstätigen Frauen höher als bei den nicht erwerbstätigen.