Glaubenssymbole gelten in der Popkultur als schick

Speyer (epd). Von Alexander Lang. Kaum ein langmähniger Hardrocker, der nicht ein Kreuz über der Lederjacke baumeln lässt. In Videoclips und auf CD-Hüllen werfen sich Künstler wie Michael Jackson und Marius Müller-Westernhagen in Messiaspose oder erscheinen engelsgleich. Immer mehr Pop- und Rockstars bedienen sich aus dem Symbolschatz des Christentums. Liberale Christen und Religionspädagogen sehen in der neuen Liebe zu christlichen Symbolen einen Ausdruck religiöser Sehnsucht bei Jugendlichen. «Patchwork-Religion» nennt der Religionspädagoge Gerd Buschmann dieses Phänomen. Jugendliche mischen sich ihre Religion selbst, indem sie sich an Symbolen und Inhalten nehmen, was ihnen gefällt, sagt der Dozent an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg. In vielen Jugendkulturen gelte das Tragen der Glaubenssymbole als schick. Kreuz, Friedenstaube und Fischsymbol würden neben dem chinesischen Ying- und Yang-Zeichen verwendet. Grund für den Zeichengebrauch sei die Ästhetik - aber auch die provokante Kritik an einer als lebensfern und verknöchert empfundenen Kirche. In den meisten Fällen setzten sich Symbole tragende Popstars und ihre Fans ernsthaft mit Religiosität und Glauben auseinander, sagt Buschmann, der der Bundesarbeitsgemeinschaft «Populäre Kultur und Religion» angehört. Viele Texte der Pop- und Rockmusik griffen urchristliche Themen auf: die Nächsten- und Friedensliebe, den Wunsch nach Bewahrung der Schöpfung. Die Kirche müsse «dankbar sein, dass die Popkultur religiöse Themen ins Spiel bringt», sagt Buschmann. Stattdessen lege sie eine «ängstliche Hütermentalität» an den Tag. Es sei «Größenwahn», wenn sich die christlichen Kirchen als alleinige Hüter religiöser Tradition sähen. Auch die christliche Symbolik unterliege «keinem Copyright» der Kirche. Statt sich abzuschotten gegenüber neuen Zugängen zur Religiosität, müsse sich die Kirche öffnen. Auch der Religionspädagoge Gotthard Fermor versteht «das religiöse Erbe der Popmusik als Herausforderung an die Kirche», wie der Untertitel seines Buches «Ekstasis» (Kohlhammer Verlag) lautet. Darin setzt sich der Bonner Theologe mit der religiösen Dimension der Popmusik auseinander. Das ekstatische Erleben sei «das Scharnier» zwischen Popmusik und Religiosität. Indem Popmusiker religiöse Inhalte und Symbole vermischten, zeige sich ihre «dogmenfreie Spiritualität», sagt Fermor. Christliche Symbole und Texte mit religiösen Zitaten wiesen sehr oft eine große Ernsthaftigkeit auf. Als beliebteste Symbole hat der Popkenner neben Kruzifix, Marienbildern und Engeln eine Licht-Dunkel-Metaphorik, die Todes- und Wiederauferstehungssymbolik und Kirchenräume ausgemacht. Jugendliche leben ihr Bekenntnis in den Jugendkulturen, in Musik, Rhythmus, Starkult und Mode, sagt Michael Landgraf. Der Religionspädagoge aus Neustadt an der Weinstraße ist davon überzeugt, dass die Kirche viele junge Menschen nur erreicht, «wenn sie das Bekenntnis zum Rhythmus als wichtige konfessionelle Ausdrucksform wahrnimmt». Jugendliche müssten ihren Glauben dem Lebensgefühl entsprechend entfalten können. Die christliche Popband «Normal Generation?» kommt ohne den plakativen Gebrauch von Kreuz oder Fischzeichen aus. «Wir verwenden solche Symbole kaum, versuchen jedoch den Glauben, für den diese Symbole stehen, zu leben und glaubhaft zu vermitteln», sagt Bandmitglied Martin Walter. Die Musiker aus Altensteig im Schwarzwald, die sich mit ihrem Lied «Long for you» beim Vorentscheid zum «Grand Prix d' Eurovision» den dritten Platz sicherten, erklären sich die Häufung christlicher Symbole in der Popkultur durch ein verstärktes spirituelles Bedürfnis. «Wahrscheinlich brauchen wir Menschen etwas Sichtbares, um den Glauben an den unsichtbaren Gott für uns nahbarer zu machen.»