Kirchliche Stimmen für neue Abtreibungsdebatte mehren sich

H a m b u r g (idea) – Die Stimmen in den Kirchen, die eine neue Debatte über den Abtreibungsparagraphen 218 StGB für nötig halten, mehren sich. Ein weiteres EKD-Ratsmitglied, der CDU-Bundestagsabgeordnete Hermann Gröhe (Neuss), hat sich jetzt gegen eine Tabuisierung des Themas gewandt. Wenn im Streit um den Import von und die Forschung an embryonalen Stammzellen die Sprache auf den Schutz des ungeborenen Lebens insgesamt komme, laute die Devise “Bloß nicht am Paragraphen 218 Strafgesetzbuch rühren!” kritisiert Gröhe in einem Beitrag des evangelischen Monatsmagazins “Chrismon” (Hamburg), zu dessen Herausgebern der Politiker gehört. Wer danach frage, welche Folgen die Diskussion um den Schutz des in der Petrischale erzeugten Lebens für die Diskussion um den Schutz des Lebens ungeborener Kinder haben müsste, ecke an. “Eine solche Tabuisierung aber ist falsch – und angesichts der Pflicht des Staates, menschliches Leben zu schützen, auch unzulässig.” So müsse der Staat sicherstellen, daß die Konfliktberatung von  Schwangeren der vom Bundesverfassungsgericht gebotenen “Zielorientierung auf den Schutz des ungeborenen Lebens hin” Rechnung trage. Eine derartige Zielsetzung werde aber oft unmissverständlich abgelehnt. Gröhe kritisiert ferner, dass man die Fälle, in denen nach festgestellter Behinderung im Rahmen der sogenannten medizinischen Indikation ein Schwangerschaftsabbruch erfolgt, nicht gesondert statistisch erfasst. Niemand wisse, “wie viele Schwangerschaftsabbrüche – entgegen der gesetzgeberischen Erwartung – allein wegen der Behinderung des Kindes” durchgeführt würden. Der Gesetzgeber muss nach Ansicht Gröhes klarstellen, dass eine Behinderung allein keine Abtreibung rechtfertige. Außerdem brauchten Eltern mehr Unterstützung, die ihr ungeborenes Kind auf eine mögliche Behinderung hin untersuchen ließen. Die vorgeburtliche Diagnostik müsse mit einer vorausgehenden, umfassenden Beratung verbunden sein. Es sei erforderlich, die Eltern frühzeitig über die möglichen medizinischen Befunde und die damit verbundenen Konfliktsituationen aufzuklären. “Die Eltern müssen wissen, dass die Gesellschaft sie nicht allein lässt, wenn sie ein behindertes Kind bekommen.” Abschließend schreibt  Gröhe: “Gelingendes Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung ist die menschliche und christlich gebotene Alternative zu der unmenschlichen Anmaßung, darüber entscheiden zu wollen, welches menschliche Leben ‚zugelassen’ und welches ‚verworfen’ wird.” Zuvor hatten sich bereits die führenden Repräsentanten der beiden großen Kirchen, der EKD-Ratsvorsitzende, Präses Manfred Kock (Düsseldorf), und der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann (Mainz), für eine Überprüfung des Abtreibungsgesetzes ausgesprochen. Dies sollte spätestens im Jahr 2005 – zehn Jahre nach der Einführung – geschehen. Auch der berlin-brandenburgische Bischof Wolfgang Huber – er ist EKD-Ratsmitglied – hatte eine neue Debatte über den Paragraphen 218 gefordert. Dagegen ist der hessen-nassauische Kirchenpräsident Prof. Peter Steinacker der Ansicht, dass eine Neubelebung der Debatte “in jedem Fall vermieden werden sollte”. Das Thema sei zu heikel.