Die Reform der EKD muss kommen

Die Reform der 1948 gegründeten Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) - immer wieder gefordert, ab und zu in Angriff genommen und bislang stets gescheitert - ist in Bewegung gekommen. Und das gleich von mehreren Seiten. Die Landeskirchen in den neuen Bundesländern denken intensiv über Zusammenschlüsse nach, wobei Berlin-Brandenburg und die Schlesische Oberlausitz bereits am weitesten gekommen sind. Die Evangelische Kirche der Union (EKU) will sich mit der Arnoldshainer Konferenz (AKf) zur “Union Evangelischer Kirchen in der Evangelischen Kirche in Deutschland” (UEK) zusammenschließen. Und das bereits bis Mitte kommenden Jahres. Darüber hinaus hat der Präsident des hannoverschen Kirchenamtes, Eckhart von Vietinghoff, die Auflösung der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche in Deutschland (VELKD) bis Ende 2005 vorgeschlagen. Die EKD, die durch diese Reformen gestärkt werden soll, hält sich bedeckt. Wenigstens nach außen. Denn sie will unter allen Umständen den Eindruck vermeiden, ihr gehe es in erster Linie um mehr Einfluss und Macht. Darauf reagieren bekanntlich vor allem die Verantwortlichen der konfessionellen Zusammenschlüsse und der kleineren Landeskirchen sehr allergisch. Deshalb wird mehr das vertrauliche Gespräch, die Verhandlung in kleiner Runde gesucht. Denn bei allen Unterschieden haben doch alle die gleichen Sorgen: Die Mitgliederzahlen gehen durch die demographische Entwicklung und die Austritte weiter dramatisch zurück, das Geld wird empfindlich knapp, und die gesellschaftliche Bedeutung der Kirchen sinkt. Und so soll aus der EKD möglichst bald das werden, was sie im allgemeinen Bewusstsein sowohl der evangelischen Christen als auch der breiten Öffentlichkeit ohnehin ist, nämlich die evangelische Kirche. Wer kennt sich denn noch so genau aus in all den kirchlichen Gremien außerhalb der Synoden der eigenen Landeskirche und der der EKD? Man kennt den eigenen Bischof (Präses, Kirchenpräsidenten, Schriftführer) und den Ratsvorsitzenden der EKD - aber den Ratsvorsitzenden der EKU, den Leitenden Bischof der VELKD, den Moderator des Reformierten Bundes, den Vorsitzenden der AKf? Wer weiß denn schon, dass nicht nur die EKD dem Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) angehört, sondern auch einzelne Landeskirchen. Gleiches gilt für die Leuenberger Kirchengemeinschaft. Von den vielen anderen Beispielen ganz abgesehen. Welche Doppelarbeit wird nicht in all den Synoden, Ratstagungen, Konferenzen, Ausschüssen, Unterausschüssen, Vorständen geleistet? Doch dafür fehlen zunehmend die Personen und das Geld. 16 Kirchen gehören der AKf an, davon allein sieben, die wiederum die EKU bilden. Immerhin sollen diese nun in der UEK aufgehen, die ihrerseits eine Körperschaft des Öffentlichen Rechts wird und nicht nur in dieser Beziehung die Nachfolge der EKU antritt. Immerhin ist die UEK bereit, sich selbst wieder aufzulösen, wenn endlich das erreicht wird, was sie eigentlich anstrebt, nämlich eine einheitliche und starke EKD. Hatte nicht der verstorbene Präses der rheinischen Kirche, Peter Beier, immer prophezeit, dass die EKD nur dann eine Kirche werde, wenn sie EKU würde, soll heißen, eine Unionskirche? Beier: “Die Zukunft gehört der Union.” Kein Wunder, dass Vietinghoff zumindest in der lutherischen Öffentlichkeit wenig Beifall für seinen Vorschlag von der Auflösung der VELKD findet. Dabei geht es ihm gar nicht um die Abschaffung der konfessionellen Identität der Landeskirchen, sondern darum, dass deren Interessen auch als Arbeitsgemeinschaften lutherischer, unierter und reformierter Kirchen unter dem Dach der EKD vertreten werden können. So wie das in den unierten Kirchen in Form lutherischer und reformierter Konvente ja auch möglich ist. Selbst die reformierte lippische Landeskirche kennt nicht nur reformierte Klassen (Kirchenkreise), sondern auch lutherische. Die Vielfalt des Protestantismus, die in der Tat ein unaufgebbares Stück evangelischer Tradition ist, ist also durch eine Reform der EKD nicht in Gefahr. In Gefahr sind freilich viele Organisationsstrukturen, die künftig nicht mehr finanzierbar sind und für die es auch nicht mehr die notwendigen ehrenamtlichen Mitglieder gibt. Man schaue sich nur einmal an, in welchen Gremien so mancher Bischof alles sitzt. Da können die meisten führenden Politiker nur vor Neid erblassen. Dabei gibt es gar keinen Zweifel, dass gerade Frauen und Männer in der Kirche mit ihren Kräften haushalterisch umgehen sollten – weil sie damit der Kernaufgabe allen kirchlichen Handelns besser dienen, nämlich der Verbreitung der lebensrettenden Botschaft von Jesus Christus. Außerdem kann sich der Protestantismus im zusammenwachsenden Europa nur eine starke EKD “leisten”, um überhaupt noch gehört zu werden. Das gilt ja auch schon jetzt in Deutschland, wenn es um wichtige Anliegen geht. Von der Embryonenforschung bis zur Sonntagsfrage. Theologische Fragen oder kirchenrechtliche Probleme müssen nicht länger auf den unterschiedlichsten Ebenen doppelt und nicht selten dreifach behandelt werden – zumal die meisten drängenden Fragen ohnehin für Lutheraner, Reformierte und Unierte gleich sind. Deshalb muss alles unternommen werden, um der wieder einmal in Gang gekommenen Reform der EKD zu einer Kirche diesmal zum Erfolg zu verhelfen und ja zu sagen zur Vielfalt, aber nein zu sagen zur überholten und teuren organisatorischen Zersplitterung. Als erste evangelische Landeskirche wird die badische über einen Beitritt zur Union Evangelischer Kirchen (UEK) entscheiden. Eine Zustimmung der Landessynode, die vom 16. bis 20. April in Bad Herrenalb bei Karlsruhe tagt, gilt als sicher. Nach Ansicht der Präsidentin, Margit Fleckenstein (Mannheim), ist die Zersplitterung der EKD in konfessionelle Bünde nicht mehr zeitgemäß. “Ich muss auch in der Kirche eines anderen Bundeslandes das Gefühl haben, zu Hause zu sein”, sagte die Rechtsanwältin, die auch dem Rat der EKD angehört. Sie hält die UEK für eine Zwischenstation auf dem Weg zur EKD als einzigem evangelischen Dachverband. Nach Ansicht des Generalsekretärs des Lutherischen Weltbundes (LWB), Ishmael Noko (Genf), könnte die angestrebte EKD-Reform ein Modell für den Weltkirchenrat sein. Die bisherigen konfessionellen Dachorganisationen, LWB und Reformierter Weltbund, könnten die Aufgaben von Arbeitsgruppen übernehmen, sagte Noko bei einem Treffen mit der württembergischen Kirchenleitung am 13. April in Stuttgart. Deren Theologischer Dezernent, Oberkirchenrat Heiner Küenzlen (Stuttgart), schlug vor, die bisherigen lutherischen, reformierten und unierten Kirchenbünde in Deutschland in “EKD-Kammern” umzuwandeln.