Bundestagsvize: “Vertrauensinitiative” gegen Parteienverdruss

F r a n k f u r t  a m  M a i n (idea) - Eine Reform des “Parteienstaates” haben Politiker und Intellektuelle bei einem Symposion des christlichen Professoren-Forums angemahnt, das in Frankfurt am Main stattfand. Gleichzeitig wurde der Verlust christlicher Grundwerte beklagt, durch den die Demokratie gefährdet werde. Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer (Bündnis 90/Die Grünen) plädierte bei einer Podiumsdiskussion für eine “Vertrauensinitiative” gegen Politikverdrossenheit. Dafür mache ihre Partei das Angebot von mehr Bürgerbeteiligung durch Volksabstimmungen. Außerdem müsse man angesichts der Parteiblockaden im Bundesrat über den Föderalismus diskutieren. Ferner sprach sich Frau Vollmer dafür aus, die Legislaturperiode um ein Jahr zu verlängern, um zwischen den Wahlkämpfen mehr Zeit für Sachpolitik zu gewinnen. Außerdem sollten Landtagswahlen “gebündelter” abgehalten werden. Parteien müssten “raus aus Rundfunkräten und Sparkassen”, so Frau Vollmer vor rund 80 Tagungsteilnehmern. Zum Werteverlust sagte die evangelische Theologin, die Kirchen seien “Randphänomene” geworden, die nicht mehr genug Kraft hätten, den Wertekonsens von sich aus zu formulieren. Der ehemalige Bundesverfassungsgerichtspräsident und CDU-Politiker Prof. Ernst Benda (Karlsruhe), verwies darauf, dass der weltanschaulich neutrale Staat Grundwerte nicht selbst vorgeben könne. Dafür seien Institutionen wie die Kirchen und Religionsgemeinschaften zuständig. Letztlich entscheide jeder Bürger darüber, welche Werte geschaffen oder zerstört würden. Auf eine vermeintlich “wert-lose” Demokratie dürfe man nicht so reagieren, dass man sie abschaffe. In einem Vortrag während des Symposions hatte Benda sich von der evangelischen Kirche deutlichere Standpunkte als ein “Einerseits-Andererseits” gewünscht, auch wenn dies Widerspruch hervorrufe. Benda warnte vor zu großem Pessimismus im Blick auf die demokratische Entwicklung der Bundesrepublik. Alle wesentlichen Wahlen hätten gezeigt, dass die Bürger vernünftige Entscheidungen getroffen hätten. Das Volk sei “nicht so schlecht, dass wir es absetzen müssten”. Der frühere Bundes- und Europa-Politiker Prof. Wolfgang Ullmann (Berlin) monierte, dass die Abgeordneten zu wenig als “Volksvertreter” miteinander umgingen, sondern sich nur als Parteienvertreter abstraften. Der evangelische Theologe warnte vor einem religiösen Fundamentalismus, der aus dem vermeintlichen Werteverlust den Schluss ziehe, alle Gesetze müssten religiös bestimmt sein. Werte seien immer im Fluss. Unveränderliche Norm müsse aber bleiben, dass jeder Mensch ein Ebenbild Gottes sei und damit unveräußerliche Würde besitze. Das Symposion stand unter dem Motto “Erreicht oder reicht uns die Demokratie?”. Zwei Mitglieder des Planungskreises dieses Netzwerks von etwa 800 Professoren äußerten gegenüber idea große Sorge über den Verlust grundlegender abendländischer Werte wie den uneingeschränkten Schutz des menschlichen Lebens. Dies könne das Gemeinwesen gefährden, sagten Prof. Lutz Simon (Frankfurt am Main) und Prof. Wolfgang Leisenberg (Friedberg bei Frankfurt am Main). Die Menschenwürde gründe auf christlich-jüdischer Ethik. Wenn aufgrund der Säkularisierung das Wertefundament abgebaut werde, gehe daran auf längere Sicht die Demokratie zugrunde. Immer häufiger werde der Mensch nur noch nach dem Kriterium der Nützlichkeit beurteilt, kritisierte Simon. Wenn das Empfinden für ethische Werte schwinde, müsse der Staat immer mehr Regeln aufstellen. Dies schränke die Freiheit ein und erhöhe die Gefahr eines totalitären Staates. Simon und Leisenberg warfen einem Teil der Kirchen vor, ihre geistigen Grundlagen zu wenig in die Waagschale zu werfen. Ohnehin hätten sie an wertprägendem Gewicht verloren und würden vielfach nur noch als soziale Einrichtungen wahrgenommen. Das Professoren-Forum wolle christliche Grundwerte aktiv in die gesellschaftliche und akademische Diskussion einbringen und nicht nur reagieren, sagte der Koordinator des Forums, Hans-Joachim Hahn (Gießen). Das seit 1996 bestehende Professoren-Forum will die christliche Weltsicht an Hochschulen und Universitäten zur Geltung bringen und zur Integration von Glaube und Wissenschaft beitragen.