Israelische Armee nimmt Kirchen in Bethlehem ins Visier

B e t h l e h e m (idea) – Israelische Artillerie hat beim Aufmarsch in der Geburtsstadt Jesu, Bethlehem, auch Kirchen ins Visier genommen. Am 2. April drangen Panzer in die Altstadt ein und nahmen unter anderem die evangelisch-lutherische Weihnachtskirche sowie das Pfarrhaus unter Beschuß. Das berichtete der Pfarrer der Weihnachtskirche, Mitri Raheb. Nach Angaben der französischen Nachrichtenagentur AFP ist bei der israelischen Offensive ein katholischer Priester ums Leben gekommen. Sechs Nonnen wurden verletzt. Sie hatten sich in der Kirche Santa Maria aufgehalten. Evangelische Kirchenleiter verurteilten das israelische Vorgehen und mahnten die Palästinenser, den Terror zu stoppen. Der bayerische Landesbischof Johannes Friedrich (München), der sich in der Karwoche zu einem Solidaritätsbesuch im Heiligen Land aufgehalten hatte, verurteilte den Beschuß der Kirche als “sinnlosen, durch nichts zu rechtfertigenden Gewaltakt”. Er sei “zutiefst zornig” darüber, daß ausgerechnet die für Aussöhnung und Frieden engagierte lutherische Kirchengemeinde Ziel eines militärischen Angriffs geworden sei. Friedrich, der von 1985 bis 1991 als evangelischer Propst in Jerusalem amtiert hatte, verurteilte bei seinem jüngsten Besuch im Heiligen Land “Gewaltapostel” auf beiden Seiten. Das gelte sowohl für die Selbstmordattentate von Palästinensern, die unschuldige Menschen mit in den Tod reißen, wie auch für die Politik von Israels Ministerpräsident Ariel Scharon. Dieser scheine nichts anderes als die “Demoralisierung” und Auswanderung möglichst vieler Palästinenser im Sinn zu haben. Nur Umdenken und Umkehr könnten aus diesen “Teufelskreis” herausführen. Der EKD-Ratsvorsitzende, Präses Manfred Kock (Düsseldorf), kritisierte ebenfalls das Blutvergießen und rief trotz scheinbar auswegloser Lage Israelis und Palästinenser zum Frieden auf: “Obwohl die Hoffnung auf ein friedliches Leben beider Völker nun völlig vergeblich scheint, halten wir an der Vernunft und der friedensbringenden Kraft Gottes fest.” In einer am 2. April in Hannover veröffentlichten EKD-Pressemitteilung versichert Kock, daß die evangelischen Kirchengemeinden weiter um Frieden im Heiligen Land beten. Viele seien mit Juden und palästinensischen Christen seit Jahren verbunden. Die EKD und ihre Mitgliedskirchen unterstützten weiterhin christliche Schulen, Gemeinden und Projekte. Kock: “Wir halten daran fest, daß dort Frieden und nicht Krieg gelebt und gelehrt werden muß.” Seine Solidarität mit den Palästinensern betonte auch der stellvertretende Generalsekretär des Weltkirchenrates, Georges Lemopoulos (Genf), vor seiner Reise vom 2. bis 4. April nach Jerusalem. Der ökumenische Dachverband habe sich “seit Beginn des zweiten Palästinenseraufstands tagtäglich für ihre Rechte eingesetzt”. Die Zahl der palästinensischen Toten bezifferte Salpy Eskidjian vom Team für Internationale Beziehungen des Weltkirchenrates mit 1.200. Auch die Zahl der israelischen Todesopfer sei im letzten Monat drastisch gestiegen und liege jetzt bei 300. Der Weltkirchenrat sieht seine Kampagne “Beendigung der rechtswidrigen Besetzung Palästinas: Unterstützung für einen gerechten Frieden im Nahen Osten” als ersten Schwerpunkt der Dekade zur Überwindung der Gewalt an, die noch bis zum Jahr 2010 dauert. Der Dachverband von über 340 evangelischen, orthodoxen und anglikanischen Kirchen wirft Israel vor, die Menschenrechte in den besetzten Gebieten systematisch zu verletzen. Der hessen-nassauische Kirchenpräsident Peter Steinacker (Darmstadt) befürchtet, daß sich “unter dem Deckmantel von berechtigter Kritik an der israelischen Politik” wieder Antisemitismus ausbreitet. Deutschland stehe aufgrund seiner Geschichte traditionell auf Seiten Israels. Diese Haltung beginne aber zu kippen, sagte er in einer Osterpredigt. Die Kirchen dürften in ihrem Engagement für gerechten Frieden und Aussöhnung zwischen Israelis und Palästinensern nicht nachlassen. Steinacker kritisierte sowohl Israels “militarisierte Politik” wie auch die Weigerung der palästinensischen Führung, eindeutig gegen den Terror aus den eigenen Reihen vorzugehen. Steinacker: “Ein Totentanz der Hoffnungslosigkeit hat begonnen.” Unterdessen hat die israelische Armee mehrere Kirchenführer am Besuch des belagerten Palästinenserpräsidenten Jassir Arafat in Ramallah gehindert. Die katholischen, orthodoxen, evangelischen und anglikanischen Kirchenmänner wollten ihm am Ostersonntag eine Botschaft des Friedens bringen und eine Vermittlungsinitiative vorstellen. In der Karwoche hatte ein palästinensisches Selbstmordattentat einen Empfang von christlichen, jüdischen und islamischen Religionsführern in Jerusalem zum Platzen gebracht. Dabei sollte eine interreligiöse Friedensdeklaration verlesen werden. Der Attentäter tötete sich selbst und drei Israelis, darunter eine Schwangere. Daraufhin blieben die islamischen Repräsentanten dem Empfang fern, berichtet die ökumenische Nachrichtenagentur ENI (Genf). Die nach ihrem Gründungsort, dem ägyptischen Alexandria, benannte Gruppe von 18 Führern der drei monotheistischen Weltreligionen will helfen, Wege aus der Gewalt zu finden. Für Verwirrung sorgten Meldungen über eine Äußerung des islamischen Gelehrten Scheich Mohammad Tantawi von der Kairoer Al-Azhar-Universität. Er hatte Selbstmordattentäter als “Märtyrer” bezeichnet. Das Oberhaupt der anglikanischen Kirche, Erzbischof George Carey, sagte: “Ich hoffe, daß Scheich Tantawi falsch zitiert wurde.”