Studie: Im Lager der Freidenker vollzieht sich ein Wandel

Berlin (epd). In der Szene so genannter kirchenkritischer Organisationen zeichnet sich einer neuen Studie zufolge eine Akzentverschiebung ab. Der Humanistische Verband Deutschland könne über ein erweitertes Angebot bei Sozialarbeit, Lebensritualen und Unterricht zu einer ernst zu nehmenden Konkurrenz für die großen Kirchen werden, heißt es in einer Untersuchung der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW), die am Montag in Berlin vorgelegt wurde. Ein beispielloser Bedeutungsverlust sei hingegen zu beobachten für das traditionelle Freidenkertum, das klassische antiklerikale Positionen vertritt. Mit Hinweis auf Umfragen, wonach jeder dritte Bundesbürger nicht an Gott glaubt, sagte Andreas Fincke, EZW-Referent und Autor der Studie, die «Konfession der Konfessionslosen» bilde nach den großen Kirchen die drittgrößte Weltanschauung. Dies spiegele sich jedoch nicht in einer entsprechenden Stärke des organisierten Atheismus wider. Alle freidenkerischen Organisationen, deren Zahl zwischen 30 und 60 liegt, vereinigten eigenen Angaben zufolge insgesamt weniger als 100.000 Mitglieder. Direkte Verbindungen zu politischen Gruppen ließen sich für diese Vereine und Verbände nicht nachweisen. Als Dachverband der Konfessionslosen konnte laut Fincke lediglich der Humanistische Verband Deutschland öffentliches Profil gewinnen. Mit etwa 10.000 Anhängern sei seine Mitgliederbasis noch relativ bescheiden, das Erscheinungsbild und die politische Arbeit seien jedoch nicht zu ignorieren. In der DDR kirchenfern sozialisierte Wissenschaftler hätten in dieser 1993 entstandenen Dachorganisation eine neue geistige Heimat gefunden. Der Humanistische Verband strebe an, die «Kirche der Kirchenfernen» zu werden, erläuterte der Wissenschaftler. Anders als das traditionelle Freidenkertum verzichte der Verband weithin auf antikirchliche Polemik, sondern bemühe sich um Sozialarbeit. So biete er in Berlin für etwa 30.000 Schüler Lebenskunde-Unterricht an, dessen Personalkosten der Berliner Senat zu 90 Prozent finanziert. Im vergangenen Jahr seien etwa 12.000 Jugendfeiern durchgeführt worden. Weitere Tätigkeitsfelder seien humanistische Beratungs- und Bildungsangebote, Rituale zur Eheschließung und Namensgebung, sowie die Präsentation einer Patientenverfügung. Als marginal stufte der Theologe den geistigen und politischen Einfluss des Deutschen Freidenker-Verbands ein. Dessen Mitgliedschaft liege bei 3.000 und sei überaltert. Dieser Zweig des Freidenkertums, der sich für die Säkularisierung der Gesellschaft einsetzt, drohe am Bedeutungsverlust der Kirchen zu scheitern. Nirgends sei seine Basis so schwach wie in den neuen Ländern, wo auch die Kirchen nur geringe Mitgliederzahlen aufweisen.