Herzog: Nach “Linksdrall” jetzt sachliche Gesprächsatmosphäre mit der EKD

S i e g e n (idea) – Das Verhältnis zwischen der CDU/CSU und der evangelischen Volkskirche ist besser geworden. Es gebe nach Jahren eines zeitweise “penetranten Linksdralls in der evangelischen Kirche” eine sachliche Gesprächsatmosphäre. Dies stellte der frühere Bundespräsident Roman Herzog beim Festakt zum 50jährigen Bestehen des Evangelischen Arbeitskreises (EAK) der CDU/CSU in Siegen fest. Dort war die einzige konfessionelle Vereinigung innerhalb einer Partei 1952 gegründet worden. Vor 2.200 Besuchern sagte Herzog, der selbst Bundesvorsitzender des EAK vom 1978 bis 1983 war, er habe Zeiten erlebt, wo Kirchenmitglieder aus dieser Not den EAK als eine Ersatzkirche verstanden, obwohl dieser selbst das gar nicht gewollt habe: “Dies ist kein gutes Zeugnis für die evangelische Kirche gewesen.” Herzog kritisierte deutsche evangelische Theologen, die in Länder mit stalinistischen Regimes gereist seien und nach ihrer Rückkehr kein einziges negatives Wort über die schrecklichen Diktaturen gesagt hätten. Wer sich 1985 kritisch zur SED äußerte, sei in der evangelischen Kirche als unbrüderlich bezeichnet worden. Herzog forderte den EAK auf, theologisch aufzuarbeiten, welche biblischen Begriffe in den letzten Jahrzehnten politisch missbraucht worden seien. Dazu gehöre beispielsweise der Begriff “Versöhnung” im Rahmen der Debatte um die Ostverträge. Gleichzeitig forderte er die Christen auf, klarer zu bekennen, was sie selbst glauben. Die fernöstlichen Religionen würden in Deutschland immer selbstbewusster. Herzog: “Mit dem Islam kommen wir auch deshalb so wenig ins Gespräch, weil wir eine solche naturwüchsige Frömmigkeit, wie sie der Islam darstellt, gar nicht mehr haben.” Der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl (Ludwigshafen) forderte die CDU auf, am “C” als Maßstab für das politische wie das eigene Tun festzuhalten. Das “C” sei notwendig für die ganze Gesellschaft. Der Katholik erhielt den stärksten Beifall bei dem Protestantentreffen. Mehr denn je seien alle auf ethische Maßstäbe angewiesen, die nicht dem Zeitgeist entsprächen. Während alle anderen Weltanschauungen im letzten Jahrhundert versagt hätten, habe der christliche Glaube nichts an Anziehungskraft verloren, auch wenn die kirchliche Bindung stark geschwunden sei. Seien in den 60er Jahren in Westdeutschland noch über 90 Prozent Mitglieder einer Kirche gewesen, so sei der Anteil in Gesamtdeutschland auf jetzt 65 Prozent zurückgegangen. Die CDU-Vorsitzende, Angela Merkel (Berlin), forderte, die Familienpolitik zu einem Schwerpunkt zu machen. Es bestehe die Gefahr, dass der, der sich für die Bildung einer Familie entscheidet, nicht am Wohlstand beteiligt werde. Um dies zu ändern, setze sich die CDU für ein Familiengeld ein. Ein weiterer Schwerpunkt müsse die Bildungspolitik werden. Im Bezug auf die rot-rote Regierung in der Hauptstadt Berlin sagte sie: “Dort muss man jetzt darauf achten, dass private Schulen überhaupt noch möglich sind, wenn die Kommunisten ihre Hand wieder im Spiel haben.” Der nordrhein-westfälische EAK-Vorsitzende, Thomas Rachel (Düren), bezeichnete die SPD-PDS-Koalition als “eine Schande für unser Land”. Der nordrhein-westfälische CDU-Vorsitzende, Jürgen Rüttgers (Düsseldorf), setzte sich dafür ein, sich stärker mit der Integration von Ausländern zu befassen: “In unserem Land leben über drei Millionen Muslime, und wir sollten auch dafür sorgen, dass sie in unserer Partei mitarbeiten können.” Er sei stolz darauf, dass es in Nordrhein-Westfalen innerhalb der CDU ein Deutsch-Türkisches Forum gebe, durch das die Moslems in der CDU integriert werden. Der EKD-Ratsvorsitzende, Präses Manfred Kock (Düsseldorf), sagte, es sei heute nicht mehr üblich, sich in der Politik zu einer Konfession zu bekennen. In keiner anderen Partei sonst gebe es einen Zusammenschluss wie den EAK. Kock: “Zu dieser protestantischen Profilkante möchte ich CDU/CSU beglückwünschen.” Der EAK sei wichtiger denn je, gehe es doch um die Orientierung am Willen Gottes. Für Christen seien Rassismus und Fremdenfeindlichkeit ebenso wenig akzeptabel wie die Verweigerung des Lebensschutzes am Anfang und Ende des Lebens. In seiner Predigt zu Beginn des Festaktes lobte der Präses der westfälischen Kirche, Manfred Sorg (Bielefeld), dass der EAK in der CDU klar gegen die Einfuhr embryonaler Stammzellen Position bezogen habe. Er wünsche sich, dass die evangelischen Parteimitglieder - etwa ein Drittel (216.000) - weiterhin das politische Handeln im Zeichen des Christentums gestalten. Über die Beziehung des EAK zur Kirche sagte er: “Ein Evangelischer Arbeitskreis in zwei Parteien (CDU und CSU), die von ihrer Herkunft der katholischen Kirche näher stehen, hat ohne Zweifel einen großen Anteil am guten Verhältnis auch zur evangelischen Kirche.” Als weiterer Bischof nahm an dem Festakt der kurhessen-waldeckische Landesbischof Martin Hein (Kassel) teil. Anwesend war aus dem evangelikalen Bereich der Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz, Hartmut Steeb (Stuttgart). Zur Gründung des EAK vor 50 Jahren in Siegen sagte der jetzige Bundesvorsitzende, Jochen Borchert (Bochum), der EAK wollen “die evangelische Stimme” in der Politik sein. Zwischen Kirche und CDU sei ein Diskussionsstand erreicht, “der uns oftmals an einem inhaltlichen Strang ziehen lässt”. Ziel des EAK sei es, viele Protestanten für die Politik der Union zu gewinnen. Gleichzeitig wolle er als Brücke für das Gespräch zwischen Kirche und Politik dienen.