epd revidiert seine Geschichte in der NS-Zeit: Kein Verbot 1937

Frankfurt a.M. (epd). Der Evangelische Pressedienst (epd) ist entgegen bisheriger Darstellungen zur Zeit des Nationalsozialismus nicht verboten gewesen. Die protestantische Nachrichtenagentur legte am Montag in Frankfurt am Main Recherchen vor, nach denen die eigene Geschichte in der NS-Zeit revidiert wird. Danach habe der epd nicht, wie vielfach behauptet, 1937 seine Arbeit einstellen müssen, teilte Chefredakteur Thomas Schiller mit. Der Agenturdienst für die Tagespresse sei bis 1939 erschienen, der epd-Dienst für die Kirchenzeitungen sogar bis 1941. Offenbar sei die Einstellung wegen der Papierrationierung im Rahmen der NS-Kriegswirtschaft und nicht aus politischen Gründen erfolgt. Die Verbotsthese hatte nach dem Zweiten Weltkrieg epd-Chefredakteur Focko Lüpsen aufgestellt, der bereits von 1933 bis 1941 verantwortlich für den Evangelischen Pressedienst war. Er erhielt von den britischen Besatzungsbehörden 1947 mehrere Lizenzen für evangelische Publikationen, unter anderem für den epd. Lüpsen hatte erklärt, der epd sei verboten worden. Er selbst habe Funktionen in der evangelischen Widerstandspresse ausgeübt. Davon rückt der Evangelische Pressedienst nun ab. «Die epd-Berichterstattung in der Zeit des Nationalsozialismus entsprach weitestgehend dem Duktus der NS-Propaganda», sagt der heutige Chefredakteur Schiller. Heute sei es schwierig zu erkennen, ob «zwischen den Zeilen» regimekritische Informationen vermittelt worden seien. Für eine Widerstandsrolle des epd oder Lüpsens hätten sich in den Archiven und im Gespräch mit Zeitzeugen keine Anhaltspunkte ergeben. Nach Kriegszerstörungen am Stammsitz in Berlin siedelte sich die Zentralredaktion der Agentur nach dem Krieg in Bielefeld-Bethel an, wo sie bis 1968 blieb. epd-Chefredakteur Lüpsen wurde gleichzeitig Direktor des Evangelischen Presseverbandes für Westfalen und Lippe. Lange Jahre übte er Ehrenämter aus, so als Vorsitzender im Verein der Zeitschriftenverlage in Nordrhein-Westfalen und als Mitglied des Deutschen Presserates. Er starb 1977 im Alter von 78 Jahren in Bielefeld. Volker Lilienthal, Redakteur beim Fachdienst epd medien, ist in einjährigen Recherchen der Verbotsthese nachgegangen. Er wies nach, dass es nach heutigem Quellenstand 1937 auch keine befristete Unterbrechung im Erscheinen der epd-Dienste gab. Erste Anhaltspunkte für eine Legendenbildung hatte im Jahr 2001 der frühere Chefredakteur Hans Hafenbrack gefunden, der zur Zeit die Geschichte der Agentur seit ihrer Gründung erforscht. Der Evangelische Pressedienst geht auf das Jahr 1910 zurück. Die protestantische Nachrichtenagentur ist damit die älteste der noch bestehenden Agenturen in Deutschland. Die Zentralredaktion hat ihren Sitz in Frankfurt am Main, die flächendeckende regionale Berichterstattung besorgen acht Landesdienste. Bundesweit arbeiten rund 80 fest angestellte Redakteurinnen und Redakteure für den epd im Bereich der Nachrichten- und Bildberichterstattung sowie für epd-Fachdienste.

Kock: epd geht jetzt offen mit Schatten seiner Geschichte um

Frankfurt a.M. (epd). Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Manfred Kock, hat Recherchen des Evangelischen Pressedienstes (epd) zu seiner eigenen Vergangenheit in der NS-Zeit begrüßt. «Ich bin froh, dass der epd jetzt offen mit dem Schatten seiner Geschichte umgeht», sagte er in einem epd-Gespräch. «Die Entdeckung der Unwahrheit in der Geschichte des epd bietet Gelegenheit zu kritischem Rückblick», erklärte Kock zu Forschungsergebnissen, nach denen die protestantische Agentur nicht, wie bislang angenommen, 1937 verboten worden sei. Diese Einsicht wirke umso beklemmender, «weil diese Geschichtsfälschung ja nicht dem Verschweigen eines Einzelnen zuzuschreiben ist», sagte der EKD-Ratsvorsitzende. «Viele in der evangelischen Kirche haben das Hitlerregime gestützt oder sich auch einfach angepasst.» Bei der Verzögerung der Aufarbeitung nach dem Zweiten Weltkrieg «spielten Schuld und Scham eine Rolle, aber auch eigennütziges Verdrängen und pragmatisches Verschweigen unbequemer Wahrheiten», erklärte der rheinische Präses. Es habe nach 1945 lange gedauert, «bis die evangelische Kirche ihre Rolle in der freiheitlichen Demokratie gefunden hat». Die EKD bemühe sich, Lücken in der Geschichtsforschung zu schließen, fügte Kock hinzu. Er unterstrich dabei die kirchlichen Bemühungen, die Verwicklungen von Gemeinden und Diakonieeinrichtungen in das NS-Zwangsarbeiter-System aufzudecken. Der EKD-Ratsvorsitzende hob die Rolle der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Zeitgeschichte hervor, die ihre bisherigen Arbeitsergebnisse dokumentiert und vorgelegt habe.