EU-Beschluss zur Aufnahme von 10.000 Irakern grundsätzlich begrüßt

Menschenrechtler und Kirchen drängen auf Ausweitung der Hilfe - "Tropfen auf heißen Stein"

Frankfurt a.M. (epd). Die EU-Entscheidung über die Aufnahme von bis zu 10.000 Irakern ist auf große Zustimmung gestoßen. Politiker, Kirchen und Menschrechtsorganisationen drängten aber zugleich auf eine Ausweitung der Hilfe. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR mahnte die EU-Staaten am Freitag, ihr Versprechen rasch umzusetzen. Die EU-Innenminister hatten am Donnerstag beschlossen, irakischen Flüchtlingen Zuflucht zu gewähren. Deutschland will 2.500 bedrohte Menschen aus der Krisenregion dauerhaft aufnehmen. Christen gelten als besonders gefährdet.

Nach dem Beschluss der EU-Innenminister geht die Bundesregierung davon aus, dass die ersten irakischen Flüchtlinge Anfang kommenden Jahres in Deutschland eintreffen werden. Bereits am Montag wollten die Experten aus Bund und Ländern über die Modalitäten der Aufnahme beraten, sagte der Sprecher des Bundesinnenministeriums, Stefan Paris, in Berlin.

Die meisten der rund 2.500 Flüchtlinge, die zunächst eine Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre erhalten sollen, werden voraussichtlich zuerst im niedersächsischen Aufnahmelager Friedland untergebracht. Das sei sinnvoll, sagte der Ministeriumssprecher. Es sei aber auch möglich, dass einzelne Bundesländer Flüchtlinge direkt aufnähmen.

Die Initiative zielt auf Iraker ab, die in die Nachbarländer Syrien und Jordanien geflüchtet sind und keine Chance auf Rückkehr haben. Insgesamt leben in beiden Ländern rund zwei Millionen Iraker unter härtesten Bedingungen. Es ist das erste Mal, dass sich Deutschland an einem Umsiedlungs-Programm des UNHCR beteiligt, hieß es weiter. "Bisher hat nur der kleinste Teil der 27 EU-Länder Umsiedlungs-Programme", unterstrich das UNHCR. Seit April 2007 seien über 22.000 Iraker umgesiedelt worden, davon allerdings nur zehn Prozent in die EU. Der größte Teil der Flüchtlinge habe Schutz in den USA, Kanada und Australien gefunden.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber, begrüßte den EU-Beschluss als "ersten Schritt". Zugleich wies er am Freitag in Berlin darauf hin, dass es dem jüngsten EU-Bericht zufolge rund 65.000 besonders schutzbedürftige Flüchtlinge gebe. Der Bischof dankte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) für dessen "große Ausdauer im Umgang mit diesem wichtigen Thema". Schäuble hatte sich seit dem Frühjahr auf EU-Ebene und bei den deutschen Innenministern für die Aufnahme irakischer Christen eingesetzt.

Die Kirchenbeauftragte der Union, Ingrid Fischbach, begrüßte ebenfalls den EU-Beschluss. Die Zahl von 10.000 sei angesichts der Masse an hilfsbedürftigen Flüchtlingen allerdings nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Grünen nannten die von Deutschland angekündigte Aufnahme von 2.500 Flüchtlingen angesichts der Flüchtlingskatastrophe in der Region "völlig unzureichend". Der menschenrechtspolitische Sprecher Volker Beck und der migrationspolitische Sprecher Josef Winkler erklärten: "Da eine zeitnahe Rückkehr in den Irak völlig ausgeschlossen ist, brauchen die Aufgenommenen einen Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt".

Die Flüchtlingsorganisation "Pro Asyl" kritisierte in Frankfurt, das Kontingent sei angesichts von mehr als zwei Millionen irakischen Flüchtlingen "mehr als dürftig". Auch die von Deutschland angekündigte Aufnahme von 2.500 Flüchtlingen sei "kleinmütig", sagte der Geschäftsführer Günter Burkhardt in Frankfurt. Unter den Irakern, die in die Nachbarstaaten geflohen seien, befänden sich allein 200.000 Angehörige nicht-islamischer Minderheiten, teilte Pro Asyl mit.

Die Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) in Genf wertete die Aufnahme von Irak-Flüchtlingen als "entschiedenen Schritt" in die richtige Richtung, auch wenn man bereits früher auf eine solche Entscheidung gehofft habe. Die Kommission der Kirchen für Migranten in Europa (CCME) erklärte: "Wir hoffen aufrichtig, dass die EU-Mitglieds-Staaten jetzt rasch mit der Umsiedlung beginnen."

Die Gesellschaft für bedrohte Völker begrüßte den EU-Beschluss. Es sei für Europa aber beschämend, dass für einzelne Staaten damit keine Verpflichtung zur Aufnahme einer verbindlichen Anzahl von Flüchtlingen verbunden sei, erklärte Generalsekretär Tilman Zülch. Das internationale katholische Missionswerk "Missio" kritisierte in Aachen: "Für uns sind diese Zahlen absolut enttäuschend, denn die Zahl der Iraker, die dringend Schutz brauchen, liegt viel höher.

Der württembergische evangelische Landesbischof Frank Otfried July erklärte: "Wir freuen uns, dass die Politik erkannt hat, dass der Irak im Moment für Christen ein sehr gefährlicher Ort ist." Es sei dennoch Ziel, dass eines Tages wieder Christen im Irak leben könnten und die Jahrhunderte alte Tradition der Christen im Zweistromland weiterlebe.



Bischof Huber: EU-Beschluss zu Irak-Flüchtlinge nur erster Schritt

Berlin (epd). Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber, hat den EU-Beschluss zur Aufnahme irakischer Flüchtlinge als "ersten Schritt" begrüßt. Huber wies am Freitag in Berlin darauf hin, dass es dem jüngsten EU-Bericht zufolge rund 65.000 besonders schutzbedürftigen Flüchtlinge gebe. Davon nehme die Europäische Union bis zu 10.000 auf.

Nach monatelangen Beratungen hatten die EU-Innenminister am Donnerstag beschlossen, den irakischen Flüchtlingen Zuflucht zu gewähren. Deutschland erklärte sich bereit, 2.500 Iraker aufzunehmen. Die Vorbereitungen für die Aufnahme sollen sofort anlaufen.

Der Bischof dankte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) für dessen "große Ausdauer im Umgang mit diesem wichtigen Thema". Schäuble hatte sich seit dem Frühjahr auf EU-Ebene und bei den Innenministern der Bundesländer für die Aufnahme irakischer Christen eingesetzt.

Die Situation der rund zwei Millionen Flüchtlinge in Syrien und Jordanien habe sich weiter verschlechtert, sagte der Ratsvorsitzende. Ihre Ersparnisse seien aufgebraucht, und sie hätten keine Arbeitserlaubnis. Eine Chance auf Rückkehr bestehe in absehbarer Zeit nicht. In der irakischen Stadt Mossul gebe es eine regelrechte Tötungs- und Vertreibungskampagne gegen Christen.

Auch die Kirchenbeauftragte der Unionsfraktion, Ingrid Fischbach, begrüßte den Beschluss der EU-Innenminister, als erfreulich. Die Zahl von 10.000 sei angesichts der Masse an hilfsbedürftigen Flüchtlingen allerdings nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Zumal diese Zahl auch Menschen umfasse, die bereits Schutz in der EU gefunden hätten. Der Beschluss könne daher nur als Beginn der humanitären Hilfe gesehen werden, betonte die CDU-Politikerin.

Auch der menschenrechtspolitische Sprecher der Grünen, Volker Beck, sagte, der EU-Beschluss sei nicht mehr als ein Anfang. Für die ersten 10.000 Flüchtlinge müsse es jetzt ohne Visaverfahren und andere bürokratische Hürden eine schnelle Aufnahme geben.


28. November 2008

 

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