EKD-Ratsvorsitzender weist Vorwürfe gegen Islampapier zurück

Theologen rügen fehlendes Eintreten gegen "Islam-Angst"

Frankfurt a.M./Hannover (epd). Das Islampapier der Evangelischen Kirche in Deutschland steht weiter in der Kritik. Evangelische und katholische Theologen sowie andere Wissenschaftler warfen dem Text am Montag in Frankfurt theologische Defizite, undifferenzierte Aussagen zur Mission, herabwürdigende Darstellung des Islam und fehlende Aussagen zur Islamfeindschaft vor. Damit würden Vorurteile und Islamfeindschaft gefördert.

Der EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber wies die Einwände als einseitig zurück. Das im November 2006 vorgelegte Dokument "Klarheit und gute Nachbarschaft" war zuvor bereits von den Islamverbänden gerügt worden. Zugleich hatte es aus der Politik Zustimmung gegeben. Der Koordinationsrat der Muslime hatte der EKD vorgeworfen, sich auf Kosten des Islams profilieren zu wollen.

Bei der Vorstellung des Buchs "Evangelisch aus fundamentalem Grund. Wie sich die EKD gegen den Islam profiliert" forderte Jürgen Micksch vom Interkulturellen Rat eine Überarbeitung des EKD-Dokuments: "Die EKD hat mit der Handreichung einen Scherbenhaufen angerichtet." Ideale im Christentum würden mit schlechter Praxis im Islam verglichen. Auf Missstände wie die zunehmende Islamfeindschaft werde mit keinem Wort eingegangen. Micksch, der lange Zeit Ausländerreferent der EKD war, kritisierte weiter, die pauschale Ablehnung des Kopftuchs für Lehrerinnen diskriminiere einseitig Frauen und sei sexistisch.

Für die EKD erklärte dazu Bischof Huber, die pauschalen Vorwürfe gingen an der Absicht und den Aussagen der Handreichung vorbei. Sie vermittelten ein "höchst einseitiges Bild". Dies gelte vor allem für den Vorwurf, die EKD tue nichts oder zu wenig, einer Islamophobie entgegenzuwirken. Als "polemische Denunziation" bezeichnete der Vorsitzende des EKD-Rates die Behauptung, die evangelische Kirche führe gar keinen Dialog mit den Muslimen, sondern sie beobachte diese im "Gewande eines para-staatlichen Organs".

Als einer von 15 Autoren des Buches beklagte der katholische Theologieprofessor Karl-Josef Kuschel (Tübingen) "theologischen Minimalismus" und Arroganz in der EKD-Handreichung, die "erschreckende Defizite" aufweise. Während den gesellschaftspolitischen Problemen im Zusammenleben mit Muslimen mehr als 100 Seiten eingeräumt würden, beschränke sich die theologische Argumentation auf sieben Seiten. Die theologischen Aussagen blieben unter dem Niveau, das von ausgewiesenen EKD-Vertretern erwartet werden dürfe, fügte Kuschel hinzu. Er wandte sich jedoch dagegen, das EKD-Papier pauschal zu verwerfen.

Einen Wechsel in der EKD-Haltung zum Islam, verglichen mit früheren Stellungnahmen, registrierte der in Basel lehrende evangelische Theologieprofessor Reinhold Bernhardt. Die Handreichung arbeite mit Unterstellungen, schüre Vorurteile, bediene Klischees und trage nicht zur reflektierten Urteilsbildung evangelischer Christen bei. In dem Dokument empfehle sich die EKD als "Bollwerk gegen den Islam und Verteidigerin abendländischer Werte". Bernhardt schloss nicht aus, dass hinter dem EKD-Text das kirchenpolitische Kalkül stecke, dem evangelikalen Lager Zugeständnisse zu machen.

Bekir Alboga von der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB) wertete das Papier als Rückschritt für den christlich-islamischen Dialog, in dem er die Kirche als Anwältin und Partner der Muslime in Deutschland gesehen habe. Mit der Handreichung leiste die EKD der Politisierung des interreligiösen Dialogs Vorschub und blockiere das Gespräch, so Alboga, der seit kurzem auch Sprecher des Koordinationsrates.

Der Erziehungswissenschaftler Micha Brumlik warf den beiden großen Kirchen vor, sie reagierten mit Angst und Abwehr auf die Entwicklung zu einer multireligiösen Gesellschaft. Das EKD-Papier sei durch die Entwertung anderer Glaubensbekenntnisse ein zivilisatorischer Rückschritt und Ausdruck von Dialogunfähigkeit.

08. Oktober 2007

EKD-Pressemitteilung "Einseitige Kritik zurückgewiesen - Vertiefung der Diskussion zum Verhältnis Christen-Muslime erwünscht"

EKD-Text 86 "Klarheit und gute Nachbarschaft. Christen und Muslime in Deutschland" (als pdf)

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