Tastbarer Dom-Kunstführer für Sehbehinderte erschienen

Schwerin (epd). Ein als Projekt der Europäischen Union (EU) geförderter tastbarer Dom-Kunstführer für Sehbehinderte ist in Schwerin erschienen. Das 17-seitige Reliefbuch enthalte erläuternde Texte in leicht lesbarem Großdruck und in Braille-Schrift sowie sechs tastbare Abbildungen, teilte das Landesamt für Denkmalpflege am Montag vor Journalisten mit. Abgebildet seien der Loste-Kreuzaltar (1495), die Ladegast-Orgel (1870) sowie eine Außenansicht und der Grundriss des gotischen Doms. 20 Exemplare des Kunstführers wurden am Montag der evangelischen Domgemeinde übergeben.

Der Kunstführer sei ein "ganz einmaliges Buch" in Größe, Material und Reliefbildung, sagte Ewa Prync-Pommerencke, Abteilungsleiterin Archäologie und Denkmalpflege beim Landesamt. Farbbilder von Kunstgegenständen, die mit einem durchsichtigen abtastbaren PVC-Relief überzogen sind und mit ausführlichen Beschreibungen versehen wurden, seien einzigartig in Deutschland, so Projektkoordinatorin Eeva (rpt. Eeva) Rantamo vom Landesamt. Auch die systematische Führung, die für den Schweriner Dom entwickelt wurde, sei einmalig.

In einer einjährigen Ausbildung für blindengerechte Führungen durch den Dom wurden drei Frauen qualifiziert. Buch und Ausbildung finanzierte die Europäische Union. In einem dreijährigen gemeinsamen europäischen Projekt wurden in Finnland, Norwegen, Griechenland, Großbritannien und Deutschland in jeweils einem Pilotvorhaben Wege gesucht, um Menschen, die bisher von Museums- und Denkmalbesuchen ausgeschlossen waren, den Zugang zu ermöglichen.

24. Juli 2007

Schweriner Dom


Als Auge für den Geführten

Blinde können den Schweriner Dom mit Hilfe eines Reliefbuchs oder persönlicher Führer erleben

Von Anne-Dorle Hoffgaard (epd)

Schwerin (epd). "Ich bin ergriffen", sagt die 70-jährige Maria Luck mit Freudentränen in den Augen. Sie hält zum ersten Mal das nagelneue Reliefbuch für Sehbehinderte über den Schweriner Dom in Händen. Im Mai hat die frühere Sekretärin, die seit 15 Jahren Touristen durch Schwerin führt, eine Ausbildung zur Domführerin für Blinde beendet.

Künftig können Sehbehinderte und Blinde den monumentalen Sakralbau im Zentrum der Landeshauptstadt von Mecklenburg-Vorpommern mit Hilfe von drei speziell ausgebildeten Führerinnen und einem 17-seitigen Reliefbuch erleben. Der tastbare Führer des Landesamtes für Kultur und Denkmalpflege, der am Montag vorgestellt wurde, enthält Texte in leicht lesbarem Großdruck und in Braille-Schrift für Blinde. Zu den sechs farbigen Relief-Abbildungen zum Ertasten gehören der Loste-Kreuzaltar von 1495, die Ladegast-Orgel von 1870 sowie eine Außenansicht vom Dom und der Grundriss des gotischen Bauwerks.

Die vom Schweriner Dom angebotenen Führungen und der Kunstführer für Blinde sind nach Angaben des Landesamtes bislang einzigartig in Deutschland. Möglich wurden Buch und Ausbildung durch Mittel der Europäischen Union, erklärt Projektkoordinatorin Eeva (rpt Eeva) Rantamo.

In einem dreijährigen europäischen Pilotprojekt, das Ende August ausläuft, wurden in Finnland, Norwegen, Griechenland, Großbritannien und Deutschland Wege gesucht, um Menschen, die bisher von Museums- und Denkmalbesuchen ausgeschlossen waren, den Zugang zu ermöglichen. Die Schweriner arbeiteten insbesondere mit dem finnischen Blindenverband zusammen, der bereits über Erfahrungen in Kunstführungen für Blinde verfügt.

Projektpartner in Deutschland ist das Schweriner Landesamt. In einer ersten Phase hätten blinde und sehbehinderte Schüler gemeinsam mit sehenden Altersgenossen den Schweriner Dom sowie die Dorfkirche und das Slawen-Museum in Groß Raden erkundet, sagt die gebürtige Finnin Rantamo. Dann folgten die Ausbildung der Blindenführerinnen und die Erstellung des Reliefbuchs für den Schweriner Dom.

Die 44-jährige Kulturwissenschaftlerin hofft, dass das Schweriner Projekt in Deutschland und darüber hinaus Schule macht. Angestrebt wird derzeit, Kirchenführer im Landkreis Müritz für spezielle Blindenführungen weiterzubilden, berichtet Rantamo. Das Nordsee-Museum in Husum plant eine blindengerechte Gestaltung und auch das Landesmuseum Mainz bietet seit kurzem Blindenführungen an.

Maria Luck hat sich zum Ziel gesetzt, "mit meinen Augen" den Schweriner Dom zu vermitteln. Dazu gehöre, ständig Orientierung zu geben, den Raum und die Objekte genau zu beschreiben. Diese Art von Touristenführung zu erlernen, sei sehr zeitaufwändig, aber auch eine "große Bereicherung" für sie gewesen.

Denn selber anfassen dürfen die Besucher nur wenige Dinge wie etwa die Bänke, an denen die Form der gotischen Fenster nachgebildet ist, oder das bronzene Taufbecken aus dem 14. Jahrhundert, ein achtseitiger Kessel getragen von Ritterfiguren. Noch hat Maria Luck keinen Blinden durch den Dom geführt: Sie freut sich aber schon auf ihre neue Aufgabe.

24. Juli 2007

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