Begegnung zwischen Kunst und Religion auf Ausstellung zur documenta

Kassel (epd). Mit einer Begleitausstellung zur documenta 12, die am Sonntagabend in Kassel eröffnet wurde, will die evangelische Kirche eine Begegnung zwischen Kunst und Religion ermöglichen. Unter dem Titel Vision/Audition sind an zwei Orten, in der Karlskirche und in der Martinskirche, bis zum 23. September Klanginstallation, Videos und Performances zu sehen. Zu der Präsentation gehören Werke von Yves Netzhammer (Schweiz), Sigalit Landau (Israel), Jay Schwartz (USA/Deutschland), Julia Oschatz (Deutschland) und Patrycja German (Polen).

"Die Werke reflektieren den Kirchenraum, reagieren auf ihn und greifen in ihn ein", sagte der Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Martin Hein, zur Eröffnung. Die Landeskirche könne mit dieser Ausstellung auf eine Tradition von 25 Jahren kirchliche documenta-Begleitausstellungen zurückblicken.

Die Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland, Petra Bahr, sagte, es sei der mutigen Unterstützung der Landeskirche von Kurhessen-Waldeck zu verdanken, dass es zu den "Proberäumen" in den beiden Kirchen gekommen sei. Kunst in solchen besonders geprägten Räumen sei "immer ein Risiko", sagte Bahr. In einer Kirche der Freiheit müsse die Kunst nicht "erlösen", müsse aber auch selbst nicht "erlöst" werden.

18. Juni 2007

Begleitausstellung der evangelischen Kirche "Vision | Audition" zur documenta

documenta 12 in Kassel


Kunst und die Erfahrung Gottes

Mit einer provokanten Ausstellung begleitet die evangelische Kirche die documenta 12

Von Christian Prüfer (epd)

Kassel (epd). Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen. Dies soll Altbundeskanzler Helmut Schmidt einmal etwas herabwürdigend geäußert haben. Er wollte den Vorrang der Vernunft in der Politik betonen. Vision und Audition, also das innere Sehen und Hören, sind allerdings Schlüsselbegriffe in der biblischen Tradition der Gotteserfahrung. Dies ist das Thema der am Sonntag eröffneten Begleitausstellung Vision/Audition der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck sowie des Stadtkirchenkreises Kassel zur documenta 12.

Die Arbeiten der fünf internationalen Künstler Yves Netzhammer, Patrycja German, Sigalit Landau, Julia Oschatz und Jay Schwartz sind auf durchgehend hohem Niveau und teilweise heftig provozierend. So erfüllt die Martinskirche ein an tibetische Tempelmusik erinnernder Klang von Gongs, die im Kirchenraum hängen und elektronisch zum Schwingen gebracht werden. Einer befindet sich gar an zentraler Stelle über dem Altar, wo normalerweise das Kreuz seinen Platz hat.

Selbst Kassels Bürgermeister und Kulturdezernent Thomas-Erik Junge (CDU) zeigte sich bei der Eröffnung der Ausstellung davon irritiert. Zuvor hatte der evangelische Bischof Martin Hein (Kassel) in seiner Predigt darauf hingewiesen, dass Provokation durchaus gewollt und Bestandteil des Dialogs zwischen Kunst und Kirche sei. Überhaupt braucht sich die Begleitausstellung inhaltlich nicht hinter der zeitgleich stattfindenden documenta 12 zu verstecken.

Mit Sigalit Landau ist eine ehemalige documenta-Künstlerin mit von der Partie. Ihre Videoarbeit "Eye Drum", die ein Auge zeigt, in dem nach unvermuteten Blitzen plötzlich die rotierende Walze einer Spieluhr erscheint, gehört noch zu den weniger aufrüttelnden Arbeiten. Verstörender hingegen ist etwa die begehbare Höhle aus Pappkartons von Julia Oschatz im Chorraum der Kirche, in dem ein teils lustiges, teil schockierendes Video über ein gesichtsloses Mischwesen zu sehen ist, das das Leben eines Eremiten führt.

Geradezu erschlagen wird man beim Eintritt in die Karlskirche, in die Yves Netzhammer eine riesige Installation gestellt hat. Seine Mischung aus Musik, Objekten, Spiegelwänden, Projektionen und Videos ist faszinierend und stellt einen massiven Eingriff in den nüchternen Kirchenraum dar.

Kunst und Kirche seien keine Feinde, betonte Bischof Martin Hein schon im Vorfeld. Historisch gesehen sei die Kirche gar der Kunstmäzen schlechthin. "Die Kunst ist ein wichtiger Seismograph für gesellschaftliche Veränderungen", erläutert er. "Sie gibt Aufschlüsse über das, was die Menschen bewegt. Dies mit der christlichen Botschaft in Bezug zu setzen, ist für die Kirche von höchster Bedeutung."

Kurator Andreas Mertin geht noch einen Schritt weiter. Vision und Audition seien bekanntlich prophetische Begriffe aus der biblischen Tradition, erklärt er. Was früher einmal prophetische Gabe gewesen sei, sei heute in Kunst und Musik übergegangen.

Innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist die Ausstellung der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck ein Wagnis. Das weiß auch die Kulturbeauftragte der EKD, Petra Bahr. "Kunst in solchen besonders geprägten Räumen ist immer ein Risiko", erklärte sie bei der Ausstellungseröffnung am Sonntagabend. Ein Risiko freilich, dass schon am Eröffnungstag zahlreiche Besucher anzog und das eine 25-jährige Tradition in Kassel hat.

Die Ausstellung in der Martinskirche und der Karlskirche ist bis 23. September täglich von 11 bis 18 Uhr zu besichtigen. Jeden Sonntag findet in den Kirchen im Anschluss an den Gottesdienst eine Führung statt. Der Eintritt ist frei.

18. Juni 2007

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