„Märkte am Sonntag sind Alibiveranstaltungen“

Evangelische Kirche begrüßt Kasseler Urteil zur Sonntagsöffnung

Evangelische Kirche in Hessen und Nassau

15. MAi 2014

Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) hat das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes (VGH) in Kassel zur Sonntagsöffnung begrüßt und als wegweisend für den Schutz der Feiertage bezeichnet. Am Donnerstag (15. Mai) hatten die Kasseler Richter eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Darmstadt bestätigt, das eine Ladenöffnung am Palmsonntag des vergangenen Jahres in Darmstadt für rechtswidrig erklärt hatte. Dagegen war die Stadt in Berufung gegangen. Der VGH bestätigte, dass der Markt mit seinen 40 Ständen eine „Alibiveranstaltung“ gewesen sei, also keinen hinreichenden Anlass dargestellte habe, der auch ohne eine begleitende Öffnung der Geschäfte einen beträchtlichen Besucherstrom angezogen hätte. Kläger gegen die ursprüngliche Öffnung waren das Evangelische Dekanat Darmstadt-Stadt und die Gewerkschaft ver.di im Auftrag der „Allianz für den freien Sonntag“. Die Sonntagsruhe ist im Grundgesetz und in der Hessischen Landesverfassung garantiert. Als Ausnahmeregelung erlaubt das Hessische Ladenöffnungsgesetz vier verkaufsoffene Sonntage im Jahr „aus Anlass von Märkten, Messen, örtlichen Festen oder ähnlichen Veranstaltungen“. Die Kosten des Verfahrens trägt zu drei Vierteln die Stadt Darmstadt und zu einem Viertel das Citymarketing Darmstadt. Mit der schriftlichen Begründung des VGH-Urteils ist Ende nächster Woche zu rechnen.

Die Stellvertreterin des Kirchenpräsidenten der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), Ulrike Scherf, zeigte Anerkennung für das Gericht, weil es genau erfasst habe, dass „Märkte an Sonntagen meistens reine Alibiveranstaltungen sind, um die Läden zu öffnen.“ Scherf bezeichnete die Entscheidung auch als „wichtiges Signal für den Schutz des Sonntags“. Die verfassungsrechtlich verankerte Sonn- und Feiertagsruhe sei hier ernst genommen worden. Scherf erinnerte daran, dass Untersuchungen zufolge die Sonntagsarbeit im Handel in den vergangenen zwei Jahrzehnten um fast 70 Prozent angestiegen ist. Zuletzt hätte die Bundesregierung erklärt, dass über 11,5 Millionen Deutsche – also jeder vierte Erwerbstätige – auch an Sonn- oder Feiertagen arbeiten müsse. Dies zeige, dass bei der Sonntagsarbeit nicht mehr von Ausnahmen gesprochen werden könne. „Sonntagsarbeit ist zur Regel geworden“, so Scherf. Das widerspreche dem Grundgesetz, das den freien Sonntag als Tag der Arbeitsruhe und der seelischen Erbauung schütze.

Nach Ansicht Scherfs ist es „kein gutes Zeichen für unsere Gesellschaft, wenn nur noch wirtschaftliche Interessen das Leben beherrschen“. Scherf wies zugleich auf den Druck hin, den zunehmende Öffnungszeiten auf die Beschäftigten ausübten. Sie warnte aber vor einer „Durchökonomisierung des Alltags“. Es müsse auch Auszeiten für die Menschen und vor allem die Beschäftigten geben, die am Sonntag arbeiten müssten. Scherf: „Gerade der Sonntag erinnert daran, dass unsere Würde nicht an unserer Leistung hängt. Wir brauchen diese heilsame Unterbrechung am Sonntag, um uns auf das Wesentliche im Leben zu besinnen“.

Auch der Dekan des Dekanats Darmstadt-Stadt, Norbert Mander, begrüßte das Urteil der Kasseler Richter. Er freue sich, „dass der Verwaltungsgerichtshof das erstinstanzliche Urteil bestätigt hat“. Offensichtlich habe die Priorität auf dem verkaufsoffenen Sonntag gelegen, der Anlass habe nur „Beiwerk“ dargestellt. Mit dem Urteil sei laut Mander ein „eindeutiges Signal gesetzt gegen die weitere Kommerzialisierung unseres Lebens“. Der Trend zu einer „24-Stunden-Gesellschaft“, in der rund um die Uhr alle meine Bedürfnisse befriedigen kann, sei „damit gebrochen und die grundgesetzliche Sonn- und Feiertagsruhe ist wieder gestärkt worden.“

Die „Allianz für den freien Sonntag“ setzt sich in Darmstadt und Region und auch hessenweit grundsätzlich für den Erhalt der Sonntagsruhe und gegen eine Öffnung der Geschäfte an Sonntagen ein. Zur „Allianz für den freien Sonntag Darmstadt und Region“ gehören der Deutsche Gewerkschaftsbund Südhessen, die Evangelische Dreifaltigkeitsgemeinde Darmstadt, das Evangelische Dekanat Darmstadt-Stadt, das Evangelische Dekanat Darmstadt-Land, die katholische Pfarrgemeinde St. Josef, das Katholische Dekanat Darmstadt, die Katholische Betriebsseelsorge, Darmstadt-Dieburg, Kompass-Darmstadt, der Sozialverband VdK sowie die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di Bezirk Südhessen. Der Zusammenschluss ist davon überzeugt, dass es einen verlässlichen Rhythmus zwischen Arbeitszeit und Arbeitsruhe geben muss. Dazu seien auch gemeinsame arbeitsfreie Zeiten wie der Sonntag für das soziale Leben nötig. Nach jüdisch-christlichem Schöpfungsverständnis dient der siebentägige Wochenrhythmus mit einem Ruhetag dem Menschen. Im Jahr 321 führte Kaiser Konstantin den Sonntag als staatlich verordneten arbeitsfreien Tag ein.

Darmstadt, 15. Mai 2014  

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