"Brüderlicher Bischof" - EKD würdigt früheren Ratsvorsitzenden Claß

Stuttgart/Berlin (epd). Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat ihren vor 100 Jahren geborenen ehemaligen Ratsvorsitzenden Helmut Claß (1913-1998) gewürdigt. Claß habe die Entwicklung der Kirche in einer Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs entscheidend mitgestaltet, erklärte der amtierende EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider am Mittwoch in Berlin. Der frühere württembergische Landesbischof Claß galt als Mann des Gesprächs, der Versöhnung und des Ausgleichs. Am 1. Juli 1913 wurde der "brüderliche Bischof", wie man ihn nannte, geboren.

Claß habe in den kirchlichen und gesellschaftlichen Streitfragen der 1970er Jahre um die Ostverträge, die Novellierung des Familienrechts und die Auseinandersetzung um die Abtreibung stets als "vermittelnde und integrative Kraft" gewirkt, sagte Schneider. "Seine persönliche Frömmigkeit beeindruckte und überzeugte viele Menschen." Mit dieser Verbindung von Wort und Tat sei Claß auch heute ein Vorbild für gelebte evangelische Freiheit.

Der württembergische evangelische Landesbischof Frank Otfried July würdigte Claß als "großen Vermittler bei klarer theologischer Positionierung". Claß habe "als Prediger, der aus dem Wort lebte, besonderen Wert auf die Diakonie gelegt und in kirchenpolitisch bewegten Zeiten nach größerer Einheit und Verbindlichkeit gesucht".

Claß, Lehrersohn aus Geißlingen/Steige, wurde vom schwäbischen Pietismus und von Theologen wie Friedrich von Bodelschwingh, Rudolf Bultmann und Karl Barth diakonisch und im Sinne der Bekennenden Kirche geprägt in einer weltzugewandten Frömmigkeit. Nach seinem Kriegsdienst und der Rückkehr aus russischer Gefangenschaft war er ab 1948 zunächst Landesjugendpfarrer, bevor er die Diakonie-Schwesternschaft Herrenberg leitete und 1968 das Amt des Prälaten von Stuttgart übernahm.

Als Claß 1969 zum Landesbischof in Württemberg gewählt wurde, stand die württembergische Kirche vor einer Zerreißprobe. In der Landessynode wurde Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre wegen tiefer politischer und religiöser Differenzen sogar der Austritt aus der EKD und dem Ökumenischen Rat der Kirchen erwogen. Vor allem der Weltkirchenrat galt damals wegen seines Engagements für Befreiungsbewegungen als linkslastig. Claß verstand es, einen endgültigen Bruch zwischen den streitenden Lagern zu verhindern.

Die EKD-Synode wählte ihn 1973 als Nachfolger von Hermann Dietzfelbinger zum Ratsvorsitzenden, der kompromissbereit, aber nie laut die Kirche zusammenhalten sollte. Auch in hohem Alter noch galt er als geschätzter Prediger und Seelsorger. Für seine Versöhnungsarbeit erhielt der Bischof zahlreiche hohe Ehrungen, darunter das Große Bundesverdienstkreuz, der Ehrendoktortitel der Universität Tübingen und die Johannes-Brenz-Medaille der württembergischen Landeskirche.

26. Juni 2013

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