Volkskirche im Wandel: Berliner Bischof Dröge fordert Gemeinden zu neuen Strukturen auf

Northeim/Berlin (epd). Als Folge des demografischen Wandels werden in einigen Regionen Deutschlands Kirchengebäude immer weniger genutzt oder bleiben komplett leer. Kirchengemeinden sollten daher nach Ansicht des Berliner Bischofs Markus Dröge nach neuen Wegen suchen. Anlässlich einer bundesweiten "Land-Kirchen-Konferenz" im niedersächsischen Northeim warnte der Theologe im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) davor, sich auf nicht zukunftsfähige Strukturen zurückzuziehen.

epd: Wie sehr beschäftigt der demografische Wandel die evangelische Kirche?

Dröge: Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz beschäftigt der demografische Wandel sehr. Wir haben Bereiche etwa in der Uckermark, in denen immer weniger Menschen leben. Zugleich gibt es besonders im Speckgürtel von Berlin wachsende Gemeinden. Der Kern unseres Reformprozesses ist, die Gemeindearbeit so zu gestalten, das sie Menschen in ihrem Umfeld erreicht. Die Gemeinden sollen befähigt werden, mit den vorhandenen finanziellen Ressourcen fröhlich das Evangelium zu verkünden. Dabei wird man sicher auch immer wieder die Strukturen überprüfen müssen.
Mehr als 200 Kirchengemeinden in Brandenburg haben weniger als 50 Gemeindeglieder, mehr als 600 Gemeinden weniger als 300. Dies ist auf Dauer kein haltbarer Zustand. Deshalb ermöglichen wir den Kirchengemeinden jetzt größere Gesamtgemeinden zu bilden. Diese können in der Region eine gemeinsame Personalpolitik machen. Ich höre von Mitarbeitenden in diesen größeren Gemeinden, dass sie mehr Gestaltungsmöglichkeiten haben und zugleich froh sind, nun im Team arbeiten zu können.

epd: Der demografische Wandel bedeutet für viele Regionen in Deutschland, dass dort immer mehr Kirchenbauten wenig oder ungenutzt sind - Welche Lösungen gibt es für diese Problematik?

Dröge: Wir sind mit rund 1.600 Dorfkirchen eine "steinreiche" Kirche. Nicht alle Gebäude werden ständig für den Gottesdienst genutzt. Es ist uns gelungen, einen großen Teil der im Bestand gefährdeten Gebäude zu retten. Mehr als 600 der vor 20 Jahren 800 baufälligen Dorfkirchen wurden seit der Wende mehr oder weniger aufwendig saniert. Dies geschah in enger Kooperation mit lokalen Fördervereinen und mit Hilfe der Förderung der öffentlichen Hand. Das Modell einer gemeinsamen kirchlichen und kommunalen beziehungsweise kulturellen Nutzung unserer Gebäude, das an vielen Stellen gepflegt wird, finde ich zukunftweisend.

epd: Wie sähe ihrer Meinung nach in Zukunft die ideale Form von kirchlichem Leben auf dem Land aus?

Dröge: Die ideale Form gibt es nicht. Ich sehe aber viele gelungene Beispiele. Diese haben immer damit zu tun, dass die Gemeinden sich vernetzen. Entweder arbeiten sie mit anderen Kirchengemeinden derselben Region zusammen oder sie kooperieren mit den Kommunen und lokalen Kulturträgern und Fördervereinen. Wir brauchen ein Umdenkensprozess: Die Kirchengemeinden dürfen sich um des Evangeliums willen nicht auf Strukturen und Muster zurückziehen, die nicht mehr zukunftsfähig sind. Um es mit einem alten Begriff zu sagen: Wir sind eine Volkskirche im Wandel. Das heißt, wir wollen eine Kirche für das Volk bleiben, auch wenn wir weniger werden.

31. Mai 2013

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