Seit 40 Jahren evangelische Abendmahls-, Kanzel- und Kirchengemeinschaft

Kirchenpräsident Jung würdigt die Leuenberger Konkordie als einzigartigen Meilenstein und Modell der Ökumene

Evangelische Kirche in Hessen und Nassau

12. März 2013

Anlässlich ihres 40. Jahrestags hat Dr. Volker Jung, Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), die historische Bedeutung der Leuenberger Konkordie herausgestellt. Diese schuf die Grundlage für die heutige Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa“ (GEKE). Jung schreibt:

„Im 16. Jahrhundert zerbrach nicht nur die Einheit der westlichen Christenheit in eine katholische und evangelische Tradition, der Bruch durchzog auch den Protestantismus selbst. Es folgten Jahrhunderte mit Bemühungen um eine ökumenische Annäherung – auch innerprotestantisch. Vor genau 40 Jahren, am 16. März 1973, gelang dabei ein einzigartiger Meilenstein: An diesem Tag wurde die Leuenberger Konkordie, das wohl wichtigste europäische Dokument innerprotestantischer Ökumene des 20. Jahrhunderts und damit ein Dokument von kirchenhistorischem Rang, den von Beginn an beteiligten Kirchen übergeben. Mittlerweile haben über 100 evangelische Kirchen die Konkordie unterzeichnet und damit untereinander Kirchengemeinschaft als Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft erklärt. Diese Gemeinschaft in Wort und Sakrament umfasst auch die wechselseitige Anerkennung der Ordination und gründet theologisch im `gemeinsamen Verständnis des Evangeliums´ von der Rechtfertigung des Sünders allein aus Gnaden, allein durch den Glauben. Heute, nach historisch gesehen kurzer Zeit, erscheint uns diese Gemeinschaft längst als vollkommen selbstverständlich. Das zeigt, wie groß die theologischen Gemeinsamkeiten und die Sehnsucht nach kirchlicher Gemeinschaft waren und sind.

Das Besondere und ökumenisch Neue der Leuenberger Konkordie besteht darin, dass in ihr Kirchengemeinschaft erklärt wurde trotz weiter bestehender Verschiedenheit der Bekenntnisse (lutherisch, reformiert, methodistisch etc.), die auch in Geltung bleiben. Die in der Leuenberger Konkordie verbundenen Kirchen verstehen ihre Kirchengemeinschaft darum als `Einheit in versöhnter Verschiedenheit´. Ziel ist also nicht eine protestantische Einheitskonfession oder -kirche. Da die Unterschiede auf theologischer Ebene jedoch nicht mehr als kirchentrennende Gegensätze betrachtet werden, kann die konfessionelle Differenz im Protestantismus als theologischer Reichtum gesehen, wertgeschätzt und bewahrt werden. Sie sind teilweise unterschiedliche Ausdrucksformen des einen Glaubens und stellen eine Vielfalt dar, die nicht verloren gehen soll. Damit haben die evangelischen Kirchen ein Modell von inner protestantischer Ökumene geschaffen, das auch für den Dialog mit anderen Kirchen wie der katholischen und den orthodoxen wegweisend sein kann. Die Leuenberger Konkordie stellt die Kirchen vor die dauerhafte Aufgabe, die erklärte Kirchengemeinschaft sowohl auf deutscher als auch auf europäischer Ebene mit Leben zu erfüllen und weiterzuentwickeln.“

Hintergrund : Abendmahlsstreit
Die Reformation hat von Beginn an verschiedene Traditionen ausgebildet. Die größten von ihnen waren die lutherische, die sich an Martin Luther orientierte, und die reformierte Bewegung aus dem südwestdeutschen und schweizerischen Raum, deren bekannteste Vertreter zunächst Ulrich Zwingli und später Johannes Calvin waren. Luther und Zwingli gelang es bei einem Treffen im Marburg nicht, sich auf ein gemeinsames reformatorisches Verständnis des Abendmahls zu einigen. Während Luther darauf beharrte, dass Brot und Wein tatsächlich im Abendmahl zum Leib Christi wurden, sah Zwingli Brot und Wein als Symbole des Leibes Christi. Der Unterschied wurde als so tiefgründig empfunden, dass es unmöglich erschien, gemeinsam Abendmahl zu feiern. Diese Trennung am Abendmahlstisch wurde erst durch die Leuenberger Konkordie aufgehoben.

Wurzeln in Arnoldshain gelegt
Kirchenpräsident Jung weist darauf hin, dass die Leuenberger Kirchengemeinschaft auf dem Boden der EKHN vorbereitet worden ist:
„Der wohl wichtigste Text auf dem Weg nach Leuenberg, einem Tagungsort in der Schweiz, sind die Arnoldshainer Abendmahlsthesen von 1957, benannt nach der Akademie der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), wo sie erarbeitet wurden. In den Thesen wird dargelegt, dass die Abendmahlsgemeinschaft zwischen reformierten, lutherischen und anderen Kirchen der protestantischen Tradition hergestellt werden kann. Dies hat die Leuenberger Konkordie dann 1973 vollzogen. Sie hat lutherische und reformierte Christinnen und Christen am Abendmahlstisch zusammen geführt, die sich dort seit dem 16. Jahrhundert vor allem über die Frage nach der Art der Gegenwart Christi im Abendmahl entzweit haben.“

Zur Information:
Leuenbeger Kirchengemeinschaft,
heute: Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa“ (GEKE)
Für die unmittelbare Vorgeschichte der Leuenberger Konkordie spielten vor allem die Erfahrungen des Kirchenkampfes im „3. Reich“ eine wesentliche Rolle. Sie zeigten die Notwendigkeit, innerprotestantisch, aber auch ökumenisch neu über tradierte Gegensätze nachzudenken, um sie zu überwinden. Dies wurde in einem langen Konsultationsprozess, zu dessen wichtigsten Meilensteinen die Arnoldshainer Abendmahlsthesen aus dem Jahr 1957 gehörten, umgesetzt. Die meisten, wenn auch nicht alle evangelischen Kirchen Europas traten der Konkordie bei. Neben lutherischen, reformierten und unierten Kirchen Europas unterzeichneten auch die frühreformatorischen Kirchen der Waldenser und der Böhmischen Brüder sowie einige südamerikanische protestantische Kirchen mit europäischen Wurzeln die Konkordie und traten so der „Leuenberger Kirchengemeinschaft“ bei. Ihr gehören seit 1997 auch die Methodistischen Kirchen Europas an, 2001 wurde „Leuenberger Kirchengemeinschaft“ in „Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa“ (GEKE) umbenannt. Die 2004 abgeschlossenen Gespräche der GEKE mit der Europäisch-Baptistischen Föderation führten nicht zu deren Beitritt, aber 2010 zum Abschluss einer „Kooperationsvereinbarung“.

www.ekhn.de

Darmstadt, 12. März 2013