Kirchen sagen „Keine Gewalt mehr im Namen Gottes“

Ökumenischer Rat der Kirchen (ÖRK)

08. März 2012

„Vor Gott und unseren Gemeinschaften sind wir verantwortlich gegenüber Juden und Jüdinnen für vergangenen und anhaltenden Anti-Semitismus, gegenüber Palästinenserinnen und Palästinensern seit dem Nakba, gegenüber muslimischen Nachbarn angesichts der Islamophobie, und auch gegenüber anderen“, erklärten Teilnehmende einer vom Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) unterstützten Konferenz.

„Von zentraler Bedeutung für eine auf Gerechtigkeit ausgerichtete Auslegung der Bibel ist die Verantwortung“, heißt es in der Erklärung der Teilnehmenden.
Die Konferenz fand vom 23. bis 27. Februar an der Evangelischen Akademie Hofgeismar, Deutschland, statt und war vom ÖRK und seinem Ökumenischen Forum für Israel/Palästina in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck organisiert worden.

Die Konferenz brachte 45 christliche und jüdische Wissenschaftler, Theologen und Studierende aus 15 Länder in Nord- und Südamerika, Asien, Afrika, Europa und dem Nahen Osten zusammen. Gemeinsam widmeten sie sich dem Thema „Gewalt im Namen Gottes? Joshua in sich verändernden Kontexten“.
Die Abschlussbotschaft richtet sein Hauptaugenmerk auf den biblischen Text von Joshua und deutet an, dass „das Buch, wenn es als deskriptiv verstanden wird, zu gefährlichen Schlussfolgerungen verleiten kann“.

Die Abschlussbotschaft wurde nach drei Tagen des Gebets, der Bibelarbeit und verschiedener Voträge über exegetische, historische und zeitgenössische Aspekte des Buches Joshua, über Gewalt in biblischen Erzählungen sowie über unterschiedliche Auslegungsansätze verabschiedet.

Das Buch Joshua wurde über viele Jahre benutzt, um Besetzungen und Ausbeutung zu rechtfertigen. Im 16. Jahrhundert wurde es in theologischen Debatten über die Kolonialisierung von Nord- und Südamerika herangezogen und von afrikaansen Ideologen benutzt, die die Zulu als „schwarze Kanaaniter“ bezeichneten. Auch heute noch wird das Buch von einigen Christen und Juden benutzt, um die Besatzungspolitik Israels zu rechtfertigen.

In Übereinstimmung mit den von der Internationalen Theologischen Konferenz des ÖRK zum Thema „Verheißenes Land“, die 2008 in Bern, Schweiz, stattfand, gezogenen Schlüsse, bekräftigten die Teilnehmenden, dass „dass die Bibel nicht dazu benutzt werden darf, Unterdrückung zu rechtfertigen oder grob vereinfachende Stellungnahmen zu aktuellen Ereignissen abzugeben und so den Konflikt zu sakralisieren und seine soziopolitischen, wirtschaftlichen und geschichtlichen Dimensionen außer Acht zu lassen.“
 
Ein Neuer Ansatz für das Verständnis des Textes von Joshua
Diskussionen während der Konferenz haben gezeigt, dass viele begründete Auslegungen des Textes im Buch Joshua möglich sind, wenn sie aus verschiedenen Kontexten heraus betrachtet werden. Die Teilnehmenden waren sich einig, dass ein hermeneutischer Ansatz, der auf Gerechtigkeit basiert, in der Auseinandersetzung mit diesem Text von entscheidender Bedeutung ist.

Palästinensische Christen, die an der Konferenz teilnahmen, erzählten den anderen Teilnehmenden, wie das Buch Joshua von „mächtigen Parteien [benutzt werde], um die fortdauernde Besetzung der palästinensischen Gebiete und die Siedlungspolitik zu rechtfertigen“ und so palästinensische Christinnen und Christen „nicht nur von ihrem Land, sondern auch von einem Großteil ihres biblischen Kanons zu entfremden“.

Pastor Jens Nieper, der die EKD im Vorbereitungsausschuss der Konferenz vertrat, ermutigte die Teilnehmenden, „die neuen Einsichten in ihre Gemeinden, theologischen Fakultäten und Kirchen mitzunehmen und sich in ihrem Engagement für Frieden und Freiheit im Namen Gottes davon inspirieren zu lassen“.

Rabbi Dr. Tovias Ben Chorin, ein jüdischer Wissenschaftler aus Berlin, der während der Konferenz eine Bibelarbeit leitete, wies auf die Allgemeingültigkeit der Bibellektüre hin und darauf, wie die Heilige Schrift von Menschen in verschiedenen Kontexten verstanden wird. „Das Wort ist stärker als jede Kugel; Kugeln werden abgeschossen und sind dann weg. Das Wort arbeitet in dir weiter und verändert dich“, sagte er.

Pastor Dr. Jamal Khader, ein palästinensicher römisch-katholischer Prieser und Dekan der Fakultät für Kunst und Wissenschaft an der Universität Bethlehem, brachte seine Dankbarkeit für die Konferenz zum Ausdruck.


„Gewalt ist für uns jeden Tag ein Thema. Palästinenserinnen und Palästinenser leiden unter ständiger Gewalt, die darauf ausgerichtet ist, sie von ihrem Land zu vertreiben. Das wurde hier angesprochen und wir konnten das Bewusstsein für die Situation schärfen“, erklärte Khader.

Die Erklärung der Konferenz hebt Dietrich Bonhoeffers mühsam gewonnene Erkenntnis hervor, dass die Bibel mit dem „Blick von unten“ zu lesen sei.
„Die biblischen Geschichten ermächtigen die Unterdrückten, sich aktiv für die eigene Emanzipation einzusetzen“, schließt die Erklärung.