Studienziel: Anstand in der Wirtschaft

Von Miriam Bunjes (epd)

Frankfurt a.M. (epd). Unternehmen sollen soziale Verantwortung wahrnehmen, Ressourcen schonen, global gerechter handeln, kurzum ethischen Ansprüchen genügen. Was gesellschaftlich seit Jahren gefordert wird, ist jedoch an den deutschen Hochschulen in wirtschaftswissenschaftlichen Studienfächern noch immer ein Randthema. Aber: "Inzwischen wacht man hier langsam auf. Durch die Finanzkrise ist der Ruf nach mehr Ethik in der Wirtschaft ja auch sehr laut geworden", sagt Susanne Lang, Leiterin des Berliner Centrums für Corporate Citizenship.

"In anderen europäischen Ländern und den USA ist man an den Hochschulen schon viele Jahre weiter", räumt Lang ein. Dort seien in Wirtschafts-Studiengängen Ethik und nachhaltiges Wirtschaften Pflichtfächer. "Es gibt immer mehr Jobprofile, die Kompetenzen in Unternehmens- und Wirtschaftsethik erwarten", sagt Lang. "Sie sollten daher in der Ausbildung ernst genommen werden."

Lang hat mit Wissenschaftlern der Berliner Humboldt-Universität das deutsche Lehrangebot untersucht. Danach bietet nur die Hälfte der Hochschulen Veranstaltungen zu Unternehmensverantwortung an. "Das Angebot ist sehr unterschiedlich und zum Teil nicht mit den anderen Lehrinhalten oder der Praxis verankert", kritisiert sie.

Die Studenten äußern sich unzufrieden: "Wirtschafts- und Unternehmensethik sollte ein Pflichtfach in der wirtschaftswissenschaftlichen Ausbildung sein", finden rund 67 Prozent. Das studentische Netzwerk für Wirtschafts- und Unternehmensethik sneep, das sich an deutschen Hochschulen für moderne Lehre und Forschung einsetzt, hat 3.000 Studenten befragt. In sneep sind Studenten verschiedener Fachrichtungen vernetzt. An ihren Standorten organisieren sie das, was aus ihrer Sicht im Studium fehlt: Ringvorlesungen mit Praktikern, interdisziplinäre Diskussionsforen und Unternehmenspraktika. Laut sneep-Umfrage sind gerade 13 Prozent mit dem Studienangebot an ihrer Uni zufrieden.

Wirtschafts-Studiengänge sind in Deutschland Massenfächer: Das Hochschul-Informations-System zählt rund 300.000 Studenten in Wirtschafts-Studiengängen. "Im Vergleich dazu ist die Zahl der Studiengänge, die in Ethik und Unternehmensverantwortung ausbilden, verschwindend", sagt Christian Lautermann, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Betriebswirtschaftslehre der Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg. Dort wird Ethik schon in der Einführungsveranstaltung für Bachelor-Studenten vermittelt. In dem Masterstudiengang "Sustainability Economics and Management" sollen "Führungspersonen mit soliden wirtschaftswissenschaftlichem Wissen, Querschnittswissen in ökologischen und sozialen Fragen und ausgeprägtem Verantwortungsbewusstsein" ausgebildet werden.

"Man muss ethische Verantwortung auch praktisch üben", sagt Lautermann. Teil des Studiums ist daher das "Service Learning", bei dem Studenten in sozialen Einrichtungen oder Non-Profit-Organisationen arbeiten und dabei eigene Konzepte entwickeln und umsetzen. Auch Rollenspiele werden angeboten, in denen Studenten die verschiedenen Interessengruppen bei einer fiktiven Standortverlagerung in ein Schwellenland kennenlernen.

Für die Praxis entstehe durch ein Studium von ethischen Theorien eine zusätzliche Kompetenz, sagt Christian Neuhäuser vom philosophischen Institut der Ruhr-Universität Bochum. "Rollen werden überdacht, Zusammenhänge miteinbezogen, wenn schon im Studium über den Tellerrand der Betriebswirtschaft geschaut wird."

Studiengänge, die Philosophie und Wirtschaft verbinden, bieten zum Beispiel die Universität Bayreuth und die Frankfurt School of Finance&Management. Pflicht ist Ethik bislang aber nur in einer Handvoll Studiengängen. "Man kann in Deutschland noch immer Betriebswirtschaftslehre studieren, ohne mit ethischen Themen in Kontakt zu kommen", sagt Katharina Hetze von Sneep; "Das ist weltfremd."

30. Juli 2010

 

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