Keine Erdbeeren im Januar

Christa Hess über ihre Arbeit als Referentin des Landfrauenverbandes Württemberg-Baden

Evangelische Landeskirche in Württemberg

07. September 2007

"Was wir vor 30 Jahren in Ghana erlebt haben, holt uns heute in Deutschland ein", sagt Christa Hess. Von 1977 bis 1985 war sie gemeinsam mit ihrem Mann Lehrerin an einer Berufsschule der presbyterianischen Kirche Ghanas. Sie haben gelernt und gelehrt, nachhaltig zu wirtschaften und sich gegen die Abhängigkeit von Saatgutfirmen zu wehren. Nun seien das Aufgaben auch in Deutschland, weiß Christa Hess. Bis zu ihrem Eintritt in den Ruhestand im Mai 2007 war sie als Bildungsreferentin für Agrar- und Entwicklungspolitik beim Landfrauenverband Württemberg-Baden tätig. Seinen entwicklungspolitischen Arbeitskreis verdankt der Verband Christa Hess. Was hat das Ganze, die Probleme in der Welt mit uns hier zu tun? Das ist die Frage, die sie immer wieder stellt.

"Wenn wir etwas für die Dritte Welt tun wollen, müssen wir unser eigenes Handeln hier zumindest mal hinterfragen", sagt Christa Hess. Woher kommen die Blumen, die ich kaufe? Wie viel bekommen die Menschen, die die Bohnen anbauen, die wir im Dezember hier kaufen können? Vielfach aus Blumenhäusern, die mit Wasser versorgt werden, das Landwirten in Afrika zur Sicherung ihrer Ernte fehlt, lautet ihre Antwort auf die erste Frage. Einen Hungerlohn, die Antwort auf die zweite. Christa Hess glaubt an Überzeugungsarbeit: Sie hält Vorträge, sammelt Unterschriften, zum Beispiel für das Aktionsbündnis "Gentechnikfreie Zone Baden-Württemberg", und sie organisiert Info-Veranstaltungen in Supermärkten, bei denen sie und ihre Mitstreiterinnen dafür werben, Produkte aus der Region zu kaufen. Ihr Credo: Wir sollten nicht all das haben wollen, was es nur durch einen globalisierten Markt bei uns zu kaufen gibt. Also keine Erdbeeren im Januar und keine Bohnen im Dezember. Außerdem sollten wir Nahrungsmittel mehr schätzen, als sie kosten. "Nahrungsmittel sind bei uns zu wenig wert!".

Christa Hess und ihr Mann haben zunächst zwölf Jahr lang einen eigenen landwirtschaftlichen Betrieb geführt, sie bauten Gemüse und Wein im Remstal an. Im Auftrag der christlichen Organisation "Dienste in Übersee" brachen sie dann 1977 mit ihren drei Kindern, damals zwei, acht und zehn Jahre alt, nach Afrika auf. Ihr Mann, Landwirt und Agraringenieur, war dort zuständig für die Ausbildung von Landwirten. Christa Hess, Meisterin der ländlichen Hauswirtschaft, hat zunächst von den selbstbewussten Ghanaerinnen gelernt, bevor sie selbst ihr Wissen an der Berufsschule weitergab.

Nach ihrer Rückkehr 1985 wurden Christa Hess und ihr Mann Referenten, sie beim Landfrauenverband Württemberg-Baden, er bei der evangelischen Hilfsorganisation "Brot für die Welt". Der Kontakt nach Afrika ist nicht abgerissen, im Jahr 2000 wird Christa Hess als Wahlbeobachterin nach Ghana gebeten. Außerdem organisiert sie regelmäßig Begegnungen zwischen Frauen aus Afrika und Deutschland, so - in Zusammenarbeit mit "Brot für die Welt" und der Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft - den Internationalen Landfrauenkongress 2005 in Stuttgart. "Frauen aus Asien und Afrika hatten die Möglichkeiten, sich mit der Landwirtschaft in Deutschland bekannt zu machen." Es sei wichtig in Zeiten der Globalisierung, "durch persönliche Begegnung, Veränderungen zu bewirken, jeder an seinem Ort", ist Christa Hess überzeugt. Sie unterstützt die Arbeit des Eine-Welt-Ladens in Schorndorf und ist im Arbeitskreis der Lokalen Agenda aktiv.

Seit Mai 2007 ist Christa Hess im Ruhestand, ihr nächstes Projekt, gemeinsam mit ihrem Mann: Sie verkaufen ihre Haushälfte in Schorndorf und ziehen in ein Mehr-Generationen-Haus. Junge Familien, Alleinerziehende, Ältere, insgesamt 30 Parteien sollen dort bald wohnen. Sie wollten etwas tun gegen die Isolierung des einzelnen in unserer Gesellschaft, sagt Christa Hess. "Wir ziehen ein, weil wir im Miteinander unterschiedlicher Generationen eine Bereicherung unseres Lebens erwarten." Hilfe zu geben und zu nehmen im Kleinen, im Alltäglichen, das sei ihr das Wichtigste.

Ob sie nicht auch manchmal resigniert? Sie kämpft für eine gentechnikfreie Landwirtschaft, aber genverändertes Saatgut kommt dennoch zum Einsatz. Sie redet und redet, aber viele Leute lassen sich von ihren fragwürdigen Einkaufsgewohnheiten nicht abbringen. Christa Hess antwortet: "Um etwas zu verändern, braucht man einen langen Atem."

Stuttgart, 07. September 2007

Astrid Günther
Pressesprecherin