Armuts- und Reichtumsbericht längst überfällig

Evangelische Landeskirche und Diakonie fordern umfassende Datenauswertung Im Landtag heute erste Lesung über Einführung des Sozialberichts

Evangelische Landeskirche in Württemberg

15. März 2012

Evangelische Landeskirche und Diakonie sind froh, dass auf Antrag der Landesregierung endlich über die Erstellung eines Armuts- und Reichtumsberichts debattiert wird. "Dieser Bericht ist für Baden-Württemberg überfällig. Außer Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein geben alle anderen Bundesländer und der Bund bereits Armuts- und Reichtumsberichte heraus", so Landesbischof Frank Otfried July. Diakoniechef und Sprecher der Diakonie Baden-Württemberg GmbH Oberkirchenrat Dieter Kaufmann betont: "Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander. Rund ein Siebtel der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze - mit steigender Tendenz. Hier muss der Sozialbericht mehr Klarheit schaffen und Perspektiven der Veränderungen aufzeigen." July und Kaufmann hoffen, dass die Debatte im Landtag zum Erfolg führt und im Doppelhaushalt genügend Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt werden.

Seit Jahren werden in Baden-Württemberg Daten über die soziale Situation erhoben. Sie gehen jedoch ausschließlich in die Berichterstattung des Bundes und der Europäischen Union ein. Eine Zusammenführung und kritische Bewertung für Baden-Württemberg geschieht bisher nicht. Landeskirche und Diakonie unterstützen deshalb das Vorhaben der Landesregierung. "Ein künftiger Armuts- und Reichtumsbericht muss Grundlage sein für einen öffentlichen, sozialpolitischen und volkswirtschaftlichen Diskurs zu Fragen von Armut und Reichtum, zur Verteilungsgerechtigkeit und zu den Folgen sozialer Ausgrenzung", so Oberkirchenrat Kaufmann. Er bietet an, dass die Diakonie ihr Know-how für die Erstellung dieses Berichts zur Verfügung stellt.

Nach Ansicht von Kaufmann ist eine wichtige Frage, ob die Lebenslagen in Baden-Württemberg von einer speziellen "Wohnarmut" geprägt sind. Denn seit Jahren sei der soziale Mietwohnungsbau sträflich vernachlässigt worden. Die Erfahrungen in den der Diakonie zeigten, dass einfacher Wohnraum nicht ausreichend vorhanden sei. In diesem Zusammenhang müsse auch geprüft werden, ob der Ersatz der Wohnkosten für Hartz-IV-Empfänger die Kosten wirklich deckt. Auch fehlen Zahlen zur Situation überschuldeter Haushalte.

Im Bildungsbereich müssen nach Ansicht von Landeskirche und Diakonie die sehr ungleichen Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen aus armen Familien oder Familien mit Migrationshintergrund in den Blick genommen werden. Erst jüngst wurde festgestellt, dass Baden-Württemberg das Land ist, in dem Kinder aus sozial benachteiligten Schichten die geringste Chancengleichheit im Bildungsbereich haben.

"Aussagen darüber, welches Klima armen Menschen gegenüber herrscht und wie stark demokratische Grundpfeiler wie Gerechtigkeit, Solidarität und Mitmenschlichkeit gelebt werden, fehlen ebenfalls. Hier wird der Bericht sicherlich Antworten geben", so Landesbischof July. Unverzichtbar sei deshalb, dass auch Sichtweise, Bewertung und Erfahrungen von durch Armut betroffenen Menschen fester Bestandteil der Berichterstattung sind.

Stuttgart, 15. März 2012

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