Arbeitsplätze so weit wie möglich erhalten

Neue Arbeitsrechtsregelung für 34.000 Beschäftigte in Kirche und Diakonie beschlossen

Evangelische Kirche in Hessen und Nassau

22. Juli 2005

Ab Oktober 2005 wird im Bereich der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) und des Diakonischen Werks in Hessen und Nassau (DWHN) eine neue Arbeitsrechtsregelung gelten. Darauf hat sich die Arbeitsrechtliche Kommission (AK) geeinigt. Vorausgegangen waren zweijährige Verhandlungen des Gremiums, in dem die verschiedenen Interessengruppen von Kirche und Diakonie paritätisch vertreten sind. Betroffen von der neuen Regelung sind etwa 34.000 Beschäftigte in EKHN und DWHN. Bislang gelten verschiedene Tarifsysteme für Arbeiter und Angestellte aus dem öffentlichen Bereich (BAT). Die EKHN und das DWHN haben nun eine eigenständige Arbeitsrechtsregelung aufgestellt.

Auf der Basis der bereits im März von der AK festgelegten Eckdaten hatte das Gremium seither weiterverhandelt und ergänzend dazu weitere Vereinbarungen getroffen. Die Arbeitnehmervertreter konnten dabei wesentliche Vorteile für die Beschäftigten in Diakonie und Kirche erreichen.

Zu deren Kernpunkten gehört die Beschäftigungsgarantie bis März 2008 in der EKHN. Gleichzeitig ist es Arbeitgebern in Kirche und Diakonie nicht erlaubt, auf Grund der Einführung der 40-Stunden-Woche Arbeitsverhältnisse betriebsbedingt zu kündigen. Weitere Vorteile konnte die Arbeitnehmerseite für die Beschäftigten bei den Übergangsregelungen durchsetzen. So werden nun förderliche Vorbeschäftigungszeiten bei der Umstellung in die neuen Entgeltgruppen und bereits begonnene Bewährungsaufstiege, die im Laufe der nächsten fünf Jahre vollendet würden, entsprechend berücksichtigt.

Die neue Arbeitsrechtsregelung ist am 20. Juli in Darmstadt von der AK verabschiedet worden. Die entsendungsberechtigten Stellen haben am Tag darauf auf ihr Einspruchsrecht verzichtet. Damit wird die neue Arbeitsrechtsregelung zum 1. Oktober 2005 in Kraft treten. Im Lauf des Jahres 2007 ist eine Überprüfung vorgesehen.

„Das Bestmögliche ausgehandelt“ – „Flexibles Vergütungssystem“

Die AK-Vorsitzende Sabine Hübner sagte, oberstes Ziel sei es gewesen, angesichts nachlassender finanzieller Mittel so viele Arbeitsplätze wie möglich zu erhalten. Dies sei mit der Vereinbarung erreicht worden. „Unter den gegebenen, finanziell schwierigen  Bedingungen haben wir das Bestmögliche für die Mitarbeitenden ausgehandelt“, so Hübner. Man sei nicht zufrieden mit einzelnen Absenkungen. „Aber der Erhalt der Arbeitsplätze war und ist vorrangig“, sagte die Vorsitzende. Die Verhandlungen seien im Sinne der Dienstgemeinschaft geführt worden, erinnerte Hübner.

Der stellvertretende AK-Vorsitzende und Arbeitgebervertreter, Wilfried Knapp, erläuterte, das neue Vergütungssystem sei flexibler und gebe den Einrichtungen, die in sehr unterschiedlichen Situationen wirtschaften müssten, die Chance, sich auf die finanziellen Rahmenbedingungen einzustellen mit dem Ziel Arbeitsplätze zu sichern. Viele Pflegeeinrichtungen etwa könnten nicht mehr kostendeckend arbeiten, weil sich die unzureichenden Pflege- und Betreuungssätze im Gesundheitswesen seit Jahren nicht mehr an den bislang geltenden BAT-Personaltarifen orientierten. „Zum einen sind wir in der Fürsorgepflicht für unsere Mitarbeitenden, und wir haben alles dafür getan, damit die Existenz der bestehenden Arbeitsplätze gesichert ist. Zugleich stehen wir in der Verantwortung den Menschen gegenüber, die in Kirche und Diakonie in Hessen und Nassau beraten und begleitet werden und hier Hilfe und Heimat finden“, sagte Knapp.

Die Beschlüsse im einzelnen

Bezahlung nach Tätigkeitsmerkmalen

Künftig wird grundsätzlich nach Tätigkeitsmerkmalen der jeweiligen Aufgabe bezahlt, sofern nicht gesetzliche Regelungen entgegenstünden, und nicht mehr nach Ausbildungsabschluss. Es soll 14 Entgeltgruppen geben mit bis zu sechs Beschäftigungszeitstufen. Die neue Gesamtvergütung wird die bisherigen Ortszuschläge rechnerisch teilweise beinhalten, sich zukünftig aber nicht mehr am Familienstand und der Anzahl der Kinder orientieren.

Neue Wege bei der Familienförderung

Die Förderung von Familien soll flexibler umgesetzt werden, um damit besser auf die Bedürfnisse der Mitarbeitenden einzugehen. Arbeitgeber werden ab 2008 verpflichtet, jeweils 0,4 Prozent der gesamten Bruttolohnsumme für Maßnahmen der Familienförderung zur Verfügung zu stellen. Dabei ist etwa an Zuschüsse für Kindertagesstätten-Kosten, Ansprüche auf Kindertagesstätten-Plätze, aber auch an Entgelte für die Versorgung von pflegebedürftigen Angehörigen sowie Budgets bei Zeitkonten und Urlaubstagen gedacht. Die AK wird bis 2007 rechtzeitig vor Inkrafttreten der Regelung in einem Musterkatalog konkrete Vorschläge unterbreiten.

Höherstufung nach Beschäftigungsjahren

Die bisherige altersbezogene Höhergruppierung entfällt, stattdessen gibt es eine Höherstufung nach Beschäftigungsjahren. Die Durchstufung kann leistungsabhängig abgekürzt oder verlängert werden, sofern in der Einrichtung eine entsprechende Dienstvereinbarung mit der Mitarbeitervertretung die Leistungskomponenten regelt. Darüber hinaus können in den Dienststellen auf Basis von Dienstvereinbarungen weitere leistungsorientierte Vergütungselemente eingeführt werden.

Flexible Arbeitszeiten/keine betriebsbedingten Kündigungen

Die regelmäßige durchschnittliche Wochenarbeitszeit beträgt 40 Stunden. Die Einführung der 40-Stunden-Woche darf nicht zu betriebsbedingten Kündigungen führen. Der Personalbestand soll durch Fluktuation und freiwillige Vertragsanpassungen reduziert werden. In der EKHN wird es bis zum April 2008 eine Beschäftigungsgarantie geben.

Einmalzahlungen

Für die Jahre 2005 bis 2007 soll es keine lineare Entgelterhöhung geben. Stattdessen erhalten alle Beschäftigten eine jährliche Einmalzahlung in Höhe von 150 Euro auf Basis einer Vollbeschäftigung.

Weihnachtsgeld nach wirtschaftlicher Lage/kein Urlaubsgeld

Die jährliche Sonderzahlung wird von 2005 bis 2007 nach Entgeltgruppen gestaffelt. Für niedrige Lohngruppen gibt es 70 Prozent, mittlere Lohngruppen erhalten 60 Prozent und höhere Einkommen 50 Prozent eines Monatstabellenlohns. Ab 2008 erhalten Beschäftigte einen Sockelbetrag von 60 Prozent zuzüglich einer Bonuszahlung von bis zu 40 Prozent, deren Zahlung aber von der wirtschaftlichen Situation des jeweiligen Arbeitgebers (in der EKHN von der Haushaltslage) abhängig ist. Das Urlaubsgeld entfällt.

Übergangsregelungen: Besitzstandswahrung, Bewährungsaufstieg

Alle Mitarbeitenden werden zum Inkrafttreten durch eine Regelüberführung in die neuen Entgeltgruppen eingruppiert. Bis zum 30.09.2006 werden alle Eingruppierungen anhand von Stellenbeschreibungen und Verantwortungsprofilen überprüft, dies dann rückwirkend zum 01.10.2005. Nachforderungen für die Vergangenheit sind hierbei ausgeschlossen.

Wer durch das neue System benachteiligt würde, erhält eine Besitzstandszulage. Die Monatsvergütung wird durch diese Zulage auf jetzigem Status eingefroren. In der Zukunft werden diese Besitzstände auf Stufensteigerungen voll und mit der in der AK verhandelten, turnusgemäßen Erhöhung der Entgelttabelle zu 50% verrechnet. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, deren Bewährungsaufstieg in den nächsten fünf Jahren anstehen würde, werden so gestellt als würden sie diesen vollenden.

Maßnahmen gegen Auslagerung von Arbeitsplätzen

Um die Auslagerung von einfachen Tätigkeiten (Reinigung und Hauswirtschaft) und damit eine massive Verschlechterung der Arbeitsbedingungen dieser Beschäftigten zu vermeiden, gilt die Besitzstandswahrung eingeschränkt. Dafür geben die Arbeitgeber eine vierjährige Arbeitsplatzgarantie. Die neuen Vergütungen liegen in vergleichbarer Höhe des TVöD.

Laut der Vorsitzenden der AK Sabine Hübner seien die Verhandlungen zwar zeitgleich, aber unabhängig vom TVöD geführt worden. Die Ergebnisse zeigten viele gleiche Grundsätze, „allerdings berücksichtigt die eigene Arbeitsrechtsregelung die Gegebenheiten bei Kirche und Diakonie.“

Rückfragen möglich an
Stephan Krebs, Pressesprecher EKHN
Sabine Hübner, Vorsitzende der AK

Verantwortlich: Sabine Hübner

Darmstadt/Frankfurt am Main, 22. Juli 2005