Landesbischof July: Politik muss Überforderung verhindern

Stuttgart (epd). In den Kommunen wächst der Unmut darüber, eine stark wachsende Zahl von Flüchtlingen unterbringen zu müssen. Davon ist auch die Evangelische Landeskirche in Württemberg betroffen. Die Kirchengemeinde in Großsachsenheim bei Ludwigsburg hat ein Areal zur Verfügung gestellt, auf dem ein Flüchtlingsheim entstehen soll - und erntet dafür massive Proteste. Landesbischof Frank Otfried July wirbt im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst dafür, in Flüchtlingen nicht in erster Linie ein Problem, sondern eine Chance zu sehen.

 Der Widerstand in der Bevölkerung gegen die Unterbringung von immer mehr Flüchtlingen wird lauter. Steht die Kirche zu ihrem Angebot, allen ankommenden Asylbewerbern nach Kräften zu helfen?

Frank Otfried July: Es gehört zum Kern einer christlichen Kirche, "flüchtlingsbereit" zu sein, und das nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis. Daher bin ich dankbar für das große haupt- und ehrenamtliche Engagement in unseren Kirchengemeinden. Wie hier unter teils extremen Bedingungen und durchaus auch gegen vereinzelten Widerstand gearbeitet wird, ist bewundernswert. Um es ganz deutlich zu sagen: Jede Kirchengemeinde, jeder Kirchengemeinderat sowie jede Pfarrerin und jeder Pfarrer, die auf welche Weise auch immer zu helfen versuchen, haben die volle Unterstützung der Kirchenleitung und von mir als Landesbischof.

Nimmt die Kirche die Bedenken einheimischer Menschen ernst genug?

July: Wir sind nicht naiv, sondern nehmen diese Bedenken und auch die Ängste in der Bevölkerung und bei Gemeindegliedern ernst, plädieren für eine zeitnahe und gute Kommunikation wo immer möglich. Die Dramatik dieser Tage zeigt sich darin, dass oftmals kaum Zeit dafür ist. Deshalb fordern wir die Politik auf: Schafft Rahmenbedingungen, die Überforderung verhindern! Sonst werden wir die große Aufgabe, vor der unser Land als ganzes steht, nicht bewältigen können.

Was muss passieren, damit die Stimmung im Land nicht kippt?

July: Wir sollten dieses "Kippen" nicht herbeireden. Allerdings müssen wir die Augen offen halten, wo Menschen Fragen haben. Als Kirche müssen wir zweierlei deutlich machen: Wer christliches Abendland sein möchte, kann gar nicht anders, als Menschen in Not zu helfen. Und wir sollten versuchen, in den Frauen, Männern und Kindern, die zu uns kommen, nicht in erster Linie ein Problem, sondern auch eine Chance zu sehen.

16. Oktober 2015

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