Stellungnahme zum Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt

Bevollmächtigter des Rates der EKD in Berlin

12. November 2002


Stellungnahme des Bevollmächtigten des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union zu den Entwürfen eines Ersten und eines Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt:

1. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) begrüßt jede politische Initiative, die darauf ausgerichtet ist, Arbeit zu schaffen, Arbeitslosigkeit zu reduzieren und Arbeitslosen zu helfen. Solche Initiativen sollten allen politisch und wirtschaftlich Handelnden willkommen sein - ungeachtet dessen, von welcher Seite sie kommen. Ein besonderes Anliegen der EKD ist dabei die Reduktion von Langzeitarbeitslosigkeit.

2. Bei allen Maßnahmen zur Reduktion der Arbeitslosigkeit muss die Kirche immer wieder in Erinnerung rufen, dass es unter den Arbeitslosen besondere Problemgruppen gibt, bei denen – aus  verschiedenen Gründen – eine  Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt auch mittelfristig als nicht realistisch erscheinen muss. Bei den geplanten Gesetzesänderungen ist darauf Obacht zu geben, dass auch diese Menschen in Würde, frei von Diskriminierung und ohne Sorge um ihr tägliches Brot in unserer Gesellschaft leben und sich an beruflicher Weiterbildung beteiligen können.

3. Da die Kirchen nicht nur in zahlreichen – im politischen Raum weithin anerkannten – Stellungnahmen (erinnert sei beispielsweise an das Gemeinsame Wort der Kirchen zur wirtschaftlichen und sozialen Lage) ihre fachliche Kompetenz in sozialen Fragen unter Beweis gestellt haben, sondern auch in zahlreichen Projekten und Initiativen mit und für Arbeitslose und mit Menschen mit besonderen Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt praktische Erfahrungen auf diesem Gebiet gesammelt haben, erstaunt es, dass der Bundestagsausschuss für Wirtschaft und Arbeit zu seiner öffentlichen Anhörung am 12. November d.J. weder kirchliche Vertreter noch Vertreter der kirchlichen Wohlfahrtsverbände eingeladen hat. Dies verwundert umso mehr, als der Bericht der Kommission „Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ 53.000 Geistliche noch zu den „Profis der Nation“ gerechnet hatte und in eine „Projektkoalition“ zum Abbau der Arbeitslosigkeit eingeordnet hatte.

4. In der Sache ist zu fragen, ob Gesetzgebungsvorhaben, die sich in einem starken Umfang darauf konzentrieren, die Vermittlung von Arbeitslosen auf neue Arbeitsplätze zu verbessern, nicht zu kurz greifen. Zusätzliche Arbeitsplätze werden nur entstehen, wenn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen besser werden. Dazu gehört auch eine Senkung der Lohnnebenkosten.

5. Besonders bedenklich ist daher eine weitere Verschiebung von Kosten in die sozialen Sicherungssysteme. Dies wirkt nicht nur der an sich notwendigen Senkung der Lohnnebenkosten entgegen, sondern verletzt, wenn soziale Lasten auf die nachfolgenden Generationen verschoben werden, auch den Gedanken der Nachhaltigkeit. Dessen Beachtung ist für die EKD ein zentrales Anliegen. Bereits im Zusammenhang der Beratungen des Gesetzentwurfs der Koalitionsfraktionen zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Vermögens zur Altersvorsorge in der vergangenen Legislaturperiode hatte die EKD an den Grundsatz der Nachhaltigkeit erinnert und angemahnt, die Berücksichtigung demographischer Faktoren bei der Rentenformel möglichst schnell vorzunehmen und nicht auf spätere Jahre zu verschieben.

6. Die EKD kann auch nur davon abraten, die finanziellen Auswirkungen der Gesetzentwürfe unrealistisch niedrig anzusetzen. Zum einen ist das politische Ziel des Abbaus der Arbeitslosigkeit von einem so hohen Rang, dass es gerechtfertigt ist, dafür Haushaltsmittel in einem angemessenen Umfang zur Verfügung zu stellen. Zum anderen dient es nicht der politischen Glaubwürdigkeit, wenn unrealistische Kostenschätzungen später aufgrund der tatsächlichen Entwicklung korrigiert werden müssen.

Berlin/Hannover, 12. November 2002