Weihnachtsbrief an die Deutsche Evangelisch-Lutherische Gemeinde St. Katharina zu Kiew

EKD-Ratsvorsitzender, Bischof Wolfgang Huber

21. Dezember 2004


"Herbei, o Ihr Gläub`gen, fröhlich triumphieret, o kommet, o kommet nach Bethlehem! Sehet das Kindlein, uns zum Heil geboren!"

Liebe Schwestern und Brüder in der Evangelisch-Lutherischen Gemeinde St. Katharina zu Kiew!

Am Weihnachtsfest 2004 sind besonders viele Augen auf die Ukraine gerichtet. Als Evangelische Kirche in Deutschland nehmen wir besonders intensiv an Ihrem Erleben in den letzten Wochen und an der inneren Spannung im Blick auf die Entwicklungen der nächsten Tage und Wochen Anteil. Mit Ihnen gemeinsam feiern wir das Fest der Geburt Christi. Die Lieder, die davon singen, sind fröhlich und ermutigend. Sie erzählen von dem Kind, das in Armut geboren wurde, im Stall und in der Krippe. Sie verschweigen nicht, dass dieses Kind von Anfang an verfolgt war. Und dennoch singen die Engel. Und dennoch stehen die Hirten auf den Feldern von Bethlehem auf und gehen los, weil sie spüren, dass die Welt sich verändert. Wo die Weihnachtsfreude sich ausbreitet, weicht die Angst zurück. Diese Weihnachtsfreude wünschen wir auch Ihnen.

Wir wissen, dass besonders in Ihrer Stadt Kiew, aber auch in der ganzen Ukraine derzeit große Veränderungen spürbar sind. In Hoffnung und Zuversicht, aber auch mit Angst und Sorge leben viele Menschen. Mit großer Sympathie nehmen wir wahr, wie unbeugsam und entschlossen viele Tausende für Demokratie und freie und faire Wahlen kämpfen. Das eine gehört mit dem anderen untrennbar zusammen; freie und faire Wahlen bilden eine unerlässliche Voraussetzung für einer demokratische Rechtsordnung und eine gerechte Gesellschaft. Wir bitten und beten mit Ihnen, dass Recht und Gerechtigkeit in Ihrem Lande Einzug halten mögen.

Wir kennen aber auch die Spannungen in Ihrem Land, zwischen dem Osten und dem Westen mit ihren unterschiedlichen Kulturen und Traditionen, zwischen Arm und Reich, zwischen Stadt und Land mit ihren schreienden sozialen Ungleichheiten. Wir verstehen die Sorge, dass diese Spannungen das Land und die Gesellschaft zerreißen könnten. Umso mehr danken wir allen Menschen guten Willens, die sich in dieser Lage für Gewaltlosigkeit und Verständigungsbereitschaft einsetzen. Dankbar nehmen wir auch die Anstrengungen ausländischer Vermittler, insbesondere aus Polen und der EU, wahr, die mithelfen wollen, Frieden und Demokratie in der Ukraine zu sichern.

Zu Weihnachten feiern wir unsere Hoffnung auf Gottes neue Welt, in der Frieden und Gerechtigkeit wohnen. Wir feiern Jesus Christus, in dem diese Hoffnung sichtbar geworden ist. Es ist deshalb Christenpflicht, für Recht und Rechtsstaatlichkeit einzutreten, damit Hass und Unrecht nicht weiter um sich greifen und der Weg zu einer gerechten und friedlichen staatlichen Ordnung geöffnet werde. Dabei ist uns deutlich, dass auch die christlichen Kirchen in der Ukraine von den Spannungen betroffen sind, denn die Kirchen prägen und bestimmen die unterschiedlichen Kulturen und Traditionen mit. Umso wichtiger sind jetzt Zeichen der Versöhnung und Verständigung zwischen den Kirchen. Wir lassen nicht nach in dem Gebet unseres Herrn Jesus Christus, "dass alle eins sind". Die gegenwärtige Situation ist auch ein Zeitpunkt der Bewährung für die Ökumene der Kirchen in der Ukraine. Mögen die Kirchen vor der Krippe unseres Herrn wieder zusammen finden und gemeinsam die Botschaft des Friedens in die Welt tragen!

Für uns Christen gibt es auch in solch einer schwierigen Situation lebendige Hoffnung in Jesus Christus und in der Gemeinschaft der Menschen, die ihm nachfolgen und mit all ihren Kräften für Gerechtigkeit, Frieden und Versöhnung eintreten. Wir danken Ihnen, den Mitgliedern und Mitarbeitenden in der Gemeinde St. Katharina, dass Sie diese Hoffnung in die gegenwärtige Situation hinein tragen. Voller Respekt nehmen wir wahr, dass Sie Ihre wunderschöne St.-Katharina-Kirche offen halten und mit täglichen Gottesdiensten zu Gebet und Gespräch einladen. Wir danken Ihnen für das große Engagement und die beharrliche Kraft, mit denen Sie den Menschen in ihren Hoffnungen und Ängsten nahe sind und mit der friedensstiftenden Botschaft unseres Herrn begegnen. Darum beten wir für Sie um Durchhaltekraft und Mut. Wir bitten Sie und alle, die sich nach Frieden und Gerechtigkeit sehnen, alles zu tun, um Demokratie und Gerechtigkeit im Lande zu stärken. Wir beten für ein gutes Gelingen der Wahlen am 26.12.04. Wir hoffen mit Ihnen, dass sich Türen zu einer demokratischen, friedlichen und gerechten Zukunft der Ukraine öffnen.

Der weihnachtliche Segen, den die Engel den Hirten verkündeten, sei mit Ihnen: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden!“

In herzlicher Verbundenheit grüßt sie
Ihr

Bischof Dr. Wolfgang Huber
Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland

21. Dezember 2004