Gott kann doch kein Backofen sein

Deutsche Gemeinde in Kairo zeigt Reformatoren-Sprüche als Kalligraphien

26. April 2017

Pfarrerin Nadja el-Karsheh vor einer Kalligraphie
Pfarrerin Nadia el-Karsheh hat die Entstehung der Kalligraphien begleitet . (Foto: Katja Buck)

Wer schon einmal versucht hat, ein deutsches Sprichwort in eine andere Sprache zu übersetzen, weiß, wie schnell dabei Unsinn herauskommen kann. Zu unterschiedlich sind Sprachbilder und Konnotationen, als dass sie eins zu eins übertragen werden könnten. Noch schwieriger wird es, wenn es auch noch auf theologische Nuancen ankommt. Für die Übersetzung von Luther-, Melanchthon-, Calvin- und Zwingli-Zitaten ins Arabische braucht es deswegen ein Team, dachte sich Nadia el-Karsheh, Pfarrerin in der Deutschen Evangelischen Gemeinde in Kairo.

In dem ägyptischen Theologen Tharwat Kades, der 40 Jahre lang Pfarrer in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau war, hatte sie schnell jemanden gefunden, der sich nicht nur bei den Reformatoren auskennt, sondern auch noch Arabisch als Muttersprache spricht. Als Kalligraph bot sich Ahmed Darwish an. Der Kalligraph ist seit einem Besuch auf der Wartburg vor drei Jahren begeisterter Lutherfan. Besonders der Freiheitsgedanke des Reformators fasziniert ihn.

Begeisterung für sprachliche Schönheit

Trotzdem hatte Nadia el-Karsheh Bedenken, bei dem Muslim Darwish einfach so anzufragen. Kalligraphie ist nicht nur ein bisschen bunte Schönschrift. Aufgrund des Bilderverbots im Islam hat sich diese Kunstform im arabischen Kulturraum zu einer der wichtigsten künstlerischen Ausdrucksformen entwickelt, mit denen Menschen das offenbarte Wort Gottes darstellen. Doch nicht nur das. "Ich war mir nicht sicher, ob wir ihn wirklich bitten können, Aussagen, in denen Christus eine zentrale Rolle spielt, künstlerisch zu verarbeiten. Jesus ist im Islam nur ein Prophet." Ihre Bedenken seien allerdings unberechtigt gewesen, schickt el-Karsheh sofort hinterher. "Gleich beim ersten Kontakt war Darwish begeistert von der Idee und wollte sofort loslegen."

Im Herbst 2016 trafen sich el-Karsheh, Kades und Darwish mehrfach, um die 500 Jahre alten Zitate zuerst ins Arabische zu übertragen. "Das meiste haben die beiden Männer gemacht", sagt el-Karsheh, die über ihren Vater, einen christlichen Palästinenser zwar Arabisch kann, ihre Sprachkenntnisse für theologische Diskussionen aber als zu gering bezeichnet. "Es war wunderbar, die beiden Ägypter zu erleben, wie sie sich für die Zitate begeistern konnten", sagt sie. "Tharwat Kades hat Ahmed Darwish, der ja kein Deutsch kann, für die sprachliche Schönheit der Zitate begeistern können." Nur wenn sie den Eindruck hatte, dass durch die Übersetzung die eigentliche Aussage verwässert wurde, griff sie ein.

Nur einmal keine Einigung

So etwa bei dem Calvin-Zitat: "Wenn Ihr etwas über die Sterne wissen wollt, dann schaut zum Himmel auf und nicht in die Bibel." Darwish war über diesen Spruch anfangs geschockt. Im Islam gilt eigentlich, dass im Koran alles offenbart ist, was der Mensch wissen kann. Die klare Trennung zwischen Glaube und Naturwissenschaft ist nicht gegeben. Kades schlug deswegen vor, im Arabischen ein "nicht nur" einzubauen, dass der Mensch "nicht nur" in die Bibel, sondern auch zu den Sternen blicken solle. Doch das ging el-Karsheh zu weit. "Damit wäre man Calvin nicht gerecht geworden", ist sie sich sicher.

Andere Begriffe wie Barmherzigkeit, Gnade oder Gerechtigkeit, waren dagegen überhaupt kein Problem. Die gibt es genauso im Islam. Nur bei einem Lutherzitat kamen die drei zu keiner Einigung. "Gott ist wie ein glühender Backofen voller Liebe." Für Darwish ging der Reformator an dieser Stelle mit seiner deftigen Bildsprache zu weit: Gott mit etwas Gegenständlichem gleichzusetzen, und dann auch noch mit so etwas Profanem wie einem Backofen, kam für den Muslim überhaupt nicht in Frage. "Wir haben das Zitat dann einfach weggelassen", sagt el-Karsheh. 

Die 17 Reformations-Zitate hängen nun als bunte Kalligraphien in der Deutschen Evangelischen Kirche in Kairo, – in Bilderrahmen, welche das Goethe-Institut zur Verfügung gestellt hat. Dort hätte sie überhaupt erst die Idee einer Kalligraphie-Ausstellung zum Reformationsjubiläum bekommen, gibt Nadia el-Karsheh zu. Das Goethe-Institut hatte vor einiger Zeit eine Ausstellung zum Grundgesetz gemacht und Ahmad Darwish hatte die wichtigsten Artikel in Kalligraphie gefasst.

Katja Buck (aus evangelisch.de)


In der Deutschen Evangelischen Kirche in Kairo wird die Ausstellung noch bis November gezeigt. Für kurze Zeit wird sie aber auch in Deutschland sein, und zwar vom 15. bis 22. August in Wittenberg, wo sich die Kairoer Gemeinde bei der Weltausstellung Reformation vorstellen wird. Mit dabei sein werden auch Tharwat Kades und Ahmed Darwish.