Der Vater des modernen Kirchenbaus

Berliner Ausstellung würdigt den Architekten Otto Bartning

18. April 2017

Pankratiuskapelle Gießen, Innenansicht
Die Pankratiuskapelle in Gießen wurde nach dem "Notkirchenprogramm" Bartnings erbaut. (Foto:epd-Bild/Rolf K. Wegst)

Für den Architekten Otto Bartning (1883-1959) waren Kirchen sein Lebensthema. So wurde er 1928 mit einer ganz auf geometrische Formen reduzierten wuchtigen Stahlkirche international bekannt, einem Experimentalbau für die Kölner Ausstellung PRESSA. In mehr als 50 Berufsjahren setzte Bartning mit seinen Entwürfen Maßstäbe für die protestantische Sakralarchitektur der Moderne. Nun wird er mit einer Retrospektive unter dem Titel "Otto Bartning - Architekt einer sozialen Moderne" von der Akademie der Künste in Berlin als ein wichtiger Künstler des 20. Jahrhunderts gewürdigt, der die Architektur von der Kaiserzeit bis zur jungen Bundesrepublik nachhaltig prägte.

Bis heute gehört Bartning zu den wenig bekannten Architekten der Moderne. Das will die Schau, die mit rund 400 Fotos, originalen Zeichnungen und Architekturmodellen auf 1500 Quadratmetern alle Facetten seines Schaffens beleuchtet, jetzt ändern. Sie entstand in Zusammenarbeit mit dem Otto-Bartning-Archiv der TU Darmstadt, wo auch der private Nachlass aufbewahrt ist. Werner Durth, Leiter des Archivs und einer der Ideengeber der Ausstellung betont: "Dadurch, dass er ein breites und vielschichtiges Werk hinterlassen hat, ließ er sich in keine Kategorie einordnen. Wir stellen einen Architekten vor, der die jeweils richtigen Antworten auf die Herausforderungen der verschiedenen Zeiten, die er durchlebt hat, suchte."

Ideengeber für das Bauhaus

Otto Bartning, 1883 in Karlsruhe geboren, studierte Architektur in seiner Geburtsstadt und in Berlin. Bereits während des Studiums erhielt er erste Aufträge für Kirchen und Landhäuser. Viele der weitgehend unbekannten Arbeiten sind in der Ausstellung erstmals zu sehen. 1905 gründete er sein erstes Architekturbüro in Berlin. Zudem publizierte er Schriften zur Reform von Liturgie und Kirchenbau und der Ausbildung von Architekten.

Mit Kollegen wie Bruno Taut und Walter Gropius engagierte er sich im revolutionären Arbeitsrat für Kunst, der die Zusammenführung aller Künste anstrebte. Bartnings programmatische Ideen flossen in das Konzept des 1919 von Walter Gropius gegründeten Bauhauses ein. "Er war der geistige Vater der neuen Kunstschule", sagt Werner Durth. Nach dem Umzug des Bauhauses von Weimar nach Dessau, wurde Bartning als ein gemäßigter Moderner zum Direktor der neu gegründeten Weimarer Bauhochschule berufen. Zahlreiche Dokumente in der Ausstellung belegen, wie er ihr durch die Beteiligung von Studenten an Projekten ein eigenes Profil gab.

Vom Expressionismus zur seriellen Bauweise

1930 wurde auch diese zweite Weimarer Kunstschule auf politischen Druck geschlossen, Bartning kehrte nach Berlin zurück und war unter anderem mit Wohnungsbauten an der Errichtung von Reformsiedlungen in Berlin-Siemensstadt und Haselhorst beteiligt. Während der NS-Zeit trat er, um sein Büro weiterführen zu können, der Reichskulturkammer bei. Er wurde jedoch nicht Mitglied der NSDAP und ging in den "stillen Widerstand", wie Bartning es selbst beschrieb.

Seine Arbeit für den Kunstdienst der Evangelischen Kirche bot eine Nische, eine andere war seine Tätigkeit für das Kirchliche Außenamt, für das er bis 1944 immerhin fünf Kirchen im Ausland errichten konnte. Kurz nach Kriegsende, ab Sommer 1945 entwickelte er dann für das Hilfswerk der Evangelischen Kirche ein "Notkirchenprogramm" zur Versorgung der Millionen Flüchtlinge aus dem Osten.

Die Berliner Ausstellung zeigt nun kleine Modelle und Zeichnungen dieser seriellen Typenbauten, die von den Gemeinden selbst errichtet wurden. Über eine interaktive App können Besucher herausfinden, wo in ihrer Nähe sich eines der bis 1953 in ganz Deutschland errichteten über 50 Beispiele befindet, von denen die Mehrzahl noch erhalten ist. Für Bartning waren sie keineswegs eine Notlösung, wie die Ausstellung dokumentiert. Er strebte dauerhafte Bauten an.

In den 50erJahren erlangte Bartnings Schaffen einen neuen Höhepunkt mit weiteren Kirchenbauten, Wohnhäusern aber auch Krankenhäusern. Die Ausstellung erinnert an einen zu Unrecht wenig bekannten Protagonisten der Moderne, dessen noch erhaltene Bauten als Zeugnisse wegweisender Architektur ihrer jeweiligen Epoche heute unter Denkmalschutz stehen.

Sigrid Hoff (epd)


Die Ausstellung "Otto Bartning - Architekt einer sozialen Moderne, 1883-1959" in der Akademie der Künste Berlin ist vom 31. März bis 18. Juni dienstags von 11 bis 20 Uhr sowie mittwochs bis sonntags von 11 bis 19 Uhr geöffnet.