"Wir haben die Verpflichtung, uns für die Demokratie in die Bresche zu werfen"

Gemeinsame Tagung der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen der DBK und der Kammer für Öffentliche Verantwortung der EKD

23. März 2017

Teilnehmer der Tagung. (Foto: EKD)
Austausch und Dikussion auf der gemeinsamen Tagung in Berlin. (Foto: EKD)

Wie steht es um unsere Demokratie? Wie steht es um die Rahmenbedingungen unseres Gemeinwesens angesichts eines erstarkenden Populismus, in Deutschland wie anderswo? Was können und müssen Christinnen und Christen sagen und tun, um sie zu stärken? Diese Fragen standen im Zentrum einer gemeinsamen Tagung von evangelischer und katholischer Kirche in der Berliner Friedrichstadtkirche.

In seinem Impuls warnte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) vor einfachen Antworten von Populisten und deren Forderung nach mehr direkten Volksabstimmungen. Populisten verträten ein "Programm zur Verhinderung von Veränderung", sagte Lammert. Die Ankündigung, es bleibe alles, wie es ist, habe eine "nicht zu unterschätzende Attraktivität", beklagte er. Gleichzeitig sei keine politische Parole weniger wirklichkeitsnah. Aber die Antwort, wie man auf Veränderungen reagieren könne, verweigerten Populisten.

Veränderungen in der "Streitlust"

Der Vorsitzende der Kammer für Öffentliche Verantwortung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), der evangelische Theologe Reiner Anselm, sagte in der anschließenden Diskussion, die Demokratie werde derzeit angefochten. Darauf wollten auch die Kirchen eine Antwort finden. Mit der Berliner Tagung stiegen die Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) und die Kammer für Öffentliche Verantwortung der EKD zehn Jahre nach Erscheinen des Gemeinsamen Wortes "Demokratie braucht Tugenden" in einen Beratungsprozess ein, der in eine gemeinsame Stellungnahme münden soll.

Zum Auftakt luden sie auch den Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte ein. Er sagte, er sehe Veränderungen in der Streitlust und in der Art des Streits in Deutschland. Lange hätten die Deutschen Politiker gewählt, die nicht aufgeregt und streitlustig erschienen. Korte sprach vom Wunsch nach einer "Umarmungsdemokratie" und attestierte eine "Debattenallergie".

"In den Dialog einbringen"

Für den anstehenden Bundestagswahlkampf sagte er nun einen harten Wettstreit der Ideen hervor und begründete dies mit der Euphorie um SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz, der Debatten um Arbeit und soziale Gerechtigkeit angestoßen hat. Im Wahlkampf werde es nicht wie früher um "B-Noten" wie den Eindruck beim Auftritt, sondern "A-Noten" – also Inhalte – gehen.

Die Präses der EKD-Synode, Irmgard Schwaetzer, sagte, sie freue sich über eine derzeitige Revitalisierung der demokratischen Umgangsformen und unterstrich den Anspruch der Kirchen, sich in politische Diskussionen einzumischen: "Wir Christinnen und Christen leben in dieser Demokratie, und diese Demokratie schützt uns. Das heißt, wir haben als Menschen und natürlich auch als Christen eine Verpflichtung, uns für die Demokratie in die Bresche zu werfen." Auch der katholische Bischof Franz-Josef Overbeck, der der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen der DBK vorsitzt, betonte: "Wir mischen uns nicht in die Politik ein, sondern wir sind politisch, weil die Botschaft Jesu Christi politisch ist. Wir sollen das Salz in der Suppe sein."

Reiner Anselm betonte in diesem Zusammenhang, die Frage sei, wie die Kirchen politisch Stellung nähmen. "Wichtig ist, dass wir das nicht aus einer Position der Besserwisserei heraus tun, wir müssen uns in den Dialog einbringen, aber wir sollten die anderen auch zu Wort bringen." Dass die Frage der richtigen Streit- und Diskussionskultur in der Gesellschaft nicht nur die politische Diskussion betreffe, sondern auch die innerkirchlichen Debatten, unterstrich Irmgard Schwaetzer: "Nicht in allen Gemeinden wird Streit offen ausgetragen. Wir haben da durchaus in unseren Gemeinden noch zu üben."

EKD/epd