Symbol der verlorenen Einheit

Der zentrale ökumenische Gottesdienst zum Reformationsjubiläum "Healing of Memories" wird in Hildesheim gefeiert

7. März 2017

Durchgang von der evangelischen Michaeliskirche zum katholischen Michaeliskloster in Hildesheim. (Foto: epd-Bild/Jens Schulze)
Durchgang von der evangelischen Michaeliskirche zum katholischen Michaeliskloster in Hildesheim. Hier wird am 11. März der Gottesdienst "Healing of Memories" gefeiert. (Foto: epd-Bild/Jens Schulze)

Wenn rund 400 Gäste aus Bundespolitik und Kirchen am 11. März zum ökumenischen Gottesdienst "Erinnerung heilen – Jesus Christus bezeugen" in die Hildesheimer St. Michaeliskirche kommen, betreten sie ein besonderes Gotteshaus. Die mehr als 1.000 Jahre alte Kirche gehört nicht nur zum Weltkulturerbe der Unesco – sie ist auch eine Simultankirche. Protestanten und Katholiken beten hier seit Jahrhunderten unter einem Dach, wenn auch zu verschiedenen Zeiten. "Das ist ein symbolischer Ort", sagt Thies Gundlach, Vizepräsident der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Bestens geeignet also für den zentralen Buß- und Versöhnungsgottesdienst zum 500. Reformationsjubiläum, zu dem auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der scheidende Bundespräsident Joachim Gauck erwartet werden.

64 Simultankirchen gibt es noch in Deutschland, die meisten davon in der Pfalz und in Franken. Mal teilen Trennwände die Kirche, mal feiern die Konfessionen ihre Gottesdienste im Wechsel. "Jede Kirche ist ein Unikum", erläutert Buchautor Heinz Henke aus Bautzen.

Zweitälteste Simultankirche

Einst gab es in Deutschland Tausende solcher Kirchen. Vor allem nach dem 30-jährigen Krieg suchten viele Landesherren den konfessionellen Ausgleich und legten Kirchen zusammen. Oft hatten sie schlicht kein Geld, um zerstörte Kirchen wieder aufzubauen. Doch das Miteinander war nicht immer einfach. "Es gab oft Reibereien", sagt Henke. Vor allem Taufen und Trauerfeiern sorgten immer wieder für Streit. "Da hat man zugesehen, dass man wieder autonom wurde."

Unter den noch bestehenden Simultankirchen ist die Hildesheimer St. Michaeliskirche nach dem Dom in Bautzen die zweitälteste. Bereits seit 1542 feiern die Protestanten dort sonntags ihre Gottesdienste im großen Kirchenschiff. Ein Nebenraum mit dem Grab des Bischofs Bernward von Hildesheim, die Krypta, blieb jedoch in der Obhut des katholischen Bistums. Bis heute feiern die Katholiken dort jeden Donnerstag eine Messe. "Die St. Michaeliskirche erinnert an die verloren gegangene Einheit der Kirche", sagt der Hildesheimer evangelische Landessuperintendent Eckhard Gorka.

Der Durchbruch kam 2006

Mehr als 400 Jahre waren beide Teile in der Kirche hermetisch voneinander abgeriegelt und gaben so ein Spiegelbild der konfessionellen Beziehungen ab. Ursprünglich gab es zwei Türen zwischen dem großen und dem kleinen Raum. "Doch die wurden komplett zugemauert", erzählt Gorka. Und die Mauern schienen undurchdringlich.

Als Kaiser Wilhelm II. am Reformationstag des Jahres 1900 die romanische Kirche besuchte, schufen die Hildesheimer für ihn zwar extra einen Durchgang vom Kirchenschiff zur Krypta. Doch kaum war der Kaiser weg, mauerten sie die Öffnung wieder zu. Katholiken und Protestanten nutzten weiterhin getrennte Eingänge.

Erst 1972 wurde eine der beiden Türen geöffnet und durch eine eiserne Gittertür ersetzt. Doch auch die war meist verschlossen. "Als ich 1992 hier Vikar war, sind wir ein einziges Mal mit Hilfe des Küsters in der Krypta gewesen", erinnert sich Gorka. Erst 2006 kam der Durchbruch: Handwerker entfernten die Gittertür und brachen auch die zweite Tür auf.

Als die Steine fielen, feierten beide Konfessionen zusammen eine Andacht: Auf der einen Seite wartete Gorka mit Posaunenchor, von der anderen Seite kam der katholische Bischof Norbert Trelle in vollem Ornat und überreichte ihm das Bernward-Kreuz. Dieser Durchbruch sei "ein unabweisbares ökumenisches Symbol" gewesen, freut sich Gorka. Der Gottesdienst "Erinnerung heilen", der live im ARD-Fernsehen übertragen wird, soll nun dazu beitragen, dass die Ökumene in Deutschland weiter wächst.

Michael Grau (epd)