Alles neu

Die Texte der Bibel stecken voller Verheißungen

31. Dezember 2016

Deckblatt einer mittelalterlichen Handschrift der Johannes-Apokalypse
Neuer Himmel, neue Erde. Deckblatt einer mittelalterlichen Handschrift der Johannes-Apokalypse. (Foto:Wikimedia/gemeinfrei)

Alt und neu: Ein sehr plakativer Gegensatz. Die Wirklichkeit aber besteht oft aus Zwischenformen: In das Alte mischt sich Neues, das Neue ist noch vom Alten durchdrungen. Was zeigt: Die Trennung alt/neu ist willkürlich. Auch das jeweils neue Jahr entpuppt sich oft als Fortführung des alten. Wer sein Leben allerdings erneuern lässt, der gleicht „einem Hausvater, der aus seinem Schatz Neues und Altes hervorholt“ (Matthäus 13,52) Ist das neue Jahr das einzig Neue, das sich zu erwähnen lohnt? Nein – die Bibel kennt viele Neuigkeiten.

Neue Kräfte, neue Herzen  

All jenen, die mutlos und ohne Hoffnung ins neue Jahr gehen, verheißt Gott neue Energien. Nicht Mars macht mobil, sondern „die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden“ (Jesaja 40,31). Das gilt nicht nur für Einzelne, sondern für die Massen. Ein Kapitel weiter schreibt der Prophet Jesaja: „Die Völker werden neue Kraft gewinnen!“ (Jesaja 41,1). Hesekiel schreibt, dass Gott ein „neues Herz und einen neuen Geist“ geben wird (Hesekiel 36,26). Eine ähnliche Vorstellung der Erneuerung des Menschen findet sich in der frühen Christenheit. „Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur“, sagt Paulus (2. Korinther 5,17): „Das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.“

Neuer Wein in alten Schläuchen

Andere Zeiten, andere Weinbehältnisse: In biblischen Zeiten wurden Flüssigkeiten, auch Wein, in Lederschläuchen aufbewahrt. Da der Wein noch gärte und sich ausdehnte, mussten die Schläuche neu sein, „sonst zerreißen die Schläuche und der Wein wird verschüttet und die Schläuche verderben“ (Josua 9,13). Jesus verwendet dieses Alltagwissen auch für ein Gleichnis, mit dem er vermutlich den Unterschied seiner Auslegung des jüdischen Gesetzes zur pharisäischen verdeutlichen will: „Man füllt nicht neuen Wein in alte Schläuche. Sondern man füllt neuen Wein in neue Schläuche, so bleiben beide miteinander erhalten“ (Matthäus 9,17). Auch im Lukasevangelium gibt es eine ähnliche Stelle (Lukas 5,37f.).“Im selben Zusammenhang benutzt Jesus ein weiteres Beispiel aus dem Alltag: "Niemand flickt einen Lappen von neuem Tuch auf ein altes Kleid; sonst reißt der neue Lappen vom alten ab und der Riss wird ärger".(Markus 2,21f.)

Es gibt nichts Neues 

„Alles schon mal dagewesen!“ Solche Sprüche hört man an Stammtischen, aber auch in den Stuben bürgerlicher Genügsamkeit. Sämtliche neue Nachrichten werden mit alten Erfahrungen zusammengewürfelt und in die Erkenntnis gepresst: „Es gibt nichts Neues unter der Sonne!“ Die wiederum findet sich in der Bibel und ist wirklich eine Weisheit (Prediger 1,1-10). Denn sie stammt aus einer Zeit, in der die sogenannte „Weisheitsliteratur“ entstand, etwa im ersten vorchristlichen Jahrhundert. Das Buch „Jesus Sirach“ zählt dazu, das Buch „Weisheit Salomos“ und das Buch „Der Prediger Salomo“, auch „Kohelet“ genannt. Es gibt nichts Neues, nirgends, steht darin, „die Sonne geht auf und geht unter… der Wind geht nach Süden und dreht sich nach Norden und wieder herum an den Ort, wo er anfing, alle Wasser laufen ins Meer, doch wird das Meer nicht voller. An den Ort, dahin sie fließen, fließen sie immer wieder.“ Wie die Naturgewalten, wiederhole sich auch das menschliche Handeln stets: „Was man getan hat, eben das tut man hernach wieder“. Wer sich von diesen Passagen der Bibel deprimieren lässt, sollte schnell zu den Propheten weiterblättern. „Was geschehen ist, eben das wird hernach sein.“

Jeden Morgen neue Güte

Manche Menschen mögen morgens nicht gerne aufstehen. Missmutig oder ängstlich schälen sie sich aus den Federn, vielleicht noch voll von Gram und Grübeleien über Geschehenes. Dabei gilt doch die Zusage: „Die Güte des Herrn ist alle Morgen neu und deine Treue ist groß.“ (Klagelieder 3,22f.). Sie hat Gläubige vor 3000 Jahren getragen wie die Menschen im dritten Jahrtausend. Also darf man sich getrost den Schlaf aus den Augen reiben und auf Gottes Zusage hoffen: „Ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr's denn nicht?“ (Jesaja 43,19).

Die neue Lehre Jesu

Ist die Lehre Jesu wesentlich anders als die des Judentums zu seiner Zeit? Übertrifft oder vollendet das „Neue“ das „Alte“ Testament? Auch darüber streiten sich Theologen. Glaubt man den Evangelien, so hat Jesus seine Lehre als neu bezeichnet: „Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch geliebt habe, damit auch ihr einander lieb habt“ (Johannes 13,34). Das Neue seiner Lehre merkte auch das Volk, das munkelte: „Was ist das? Eine neue Lehre in Vollmacht!“ (Markus 1,27). Schließlich sprach Jesus beim letzten Mahl mit seinen Jüngern vom „neuen Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird“ (1. Korinther 11,25). Paulus, einst strenger pharisäischer Jude, bereut, er habe „die neue Lehre verfolgt bis auf den Tod“ (Apostelgeschichte 22,4). Dass die christliche Lehre ganz neu ist, nimmt der 1. Johannesbrief etwas zurück. „Ich schreibe euch nicht ein neues Gebot, sondern das alte Gebot, das ihr von Anfang an gehabt habt. Das alte Gebot ist das Wort, das ihr gehört habt.“ (1. Johannes 2,7)

Dem Herrn ein neues Lied singen

„Singet dem Herrn ein neues Lied!“ (Psalm 33,3). Dies ist der Lieblingsbibelstelle unzähliger Kirchenmusiker. Derer, die nur altes Liedmaterial nutzen. Noch mehr derer, die sich dem „neuen geistlichen Lied“ verschrieben haben oder unentwegt Gospelchöre gründen. Leider unterschlagen sie meistens den weiteren Wortlaut des Psalms, der die Begründung für die Aufforderung zum Singen enthält: „… denn er tut Wunder. Er schafft Heil mit seiner Rechten und mit seinem heiligen Arm.“ So weit, so gut – wenn man nicht im Buch der Offenbarung weiterliest, in dem der merkwürdige Text des „neuen Liedes“ vorgestellt wird:  „Du bist würdig, zu nehmen das Buch und aufzutun seine Siegel; denn du bist geschlachtet und hast mit deinem Blut Menschen für Gott erkauft aus allen Stämmen und Sprachen und Völkern und Nationen“ (Offenbarung 5,9). Das klingt ganz anders als „Oh happy day“…

Ein neuer Himmel, eine neue Erde

Gott hat die Welt erschaffen – doch leider entwickelte sie sich nicht nach seinen Wünschen. Aus theologisch heiß umstrittenen Gründen lebten die Menschen nicht nach den Geboten Gottes, ihres Schöpfers. Auf diese Weise entstand die Sehnsucht, dass Gott eine die Erde neu erschaffen könnte. „Tu neue Zeichen und Wunder“, bittet Jesus Sirach (Jesus Sirach 36,6). Und dem Propheten Jesaja zufolge verheißt Gott: „Siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, dass man der vorigen nicht mehr gedenken und sie nicht mehr zu Herzen nehmen wird“ (Jesaja 65,17). „Du machst neu die Gestalt der Erde“, bedankt sich der Psalmist bei Gott (Psalm 104,30). Dennoch müssen die Menschen Geduld haben, meint der 2. Brief des Petrus: „Wir warten auf einen neuen Himmel und eine neue Erde nach seiner Verheißung, in denen Gerechtigkeit wohnt“ (2. Petrus 3,13)

Uwe Birnstein


Zum Weiterlesen: Günther Thomas: Neue Schöpfung. Systematisch-theologische Untersuchungen zur Hoffnung auf das "Leben in der zukünftigen Welt", Neukirchen-Vluyn 2009