Von der Heldenverehrung zum schlichten Gedenken

Denkmale für Kriegstote sind ein Spiegel ihrer Zeit und bedürfen heute des sensiblen Umgangs

12. November 2016

Kriegerdenkmal auf dem Frankfurter Hauptfriedhof
Kriegerdenkmal auf dem Hauptfriedhof in Frankfurt. (Foto:epd-Bild/Stephan Krems)

Gedenkorte für die Toten der Kriege befinden sich in vielen Kirchen. Heute werden sie häufig eher kritisch wahrgenommen: Kriege als Form der Konfliktaustragung sind fragwürdig geworden und viele Gedenkorte folgen einer fremd gewordenen Ästhetik. Wie kam es zur Errichtung solcher Denkmäler und wie können Menschen heute mit ihnen umgehen?

Am Anfang stand der Wunsch des preußischen Königs vom 5. Mai 1813 : Es “soll für alle, die auf dem Bette der Ehre starben, in jeder Kirche eine Tafel auf Kosten der Gemeinden errichtet werden“. Mit dieser Verordnung beginnt die Form des Gedenkens für Kriegsgefallene, unabhängig von Stand oder Dienstgrad. Auf einfachen Holztafeln sind unter der Überschrift “Aus diesem Kirchspiel starben für König und Vaterland“ die Namen aufgemalt, manchmal mit Eichenlaub verziert.

Diese Tafeln mit Namen von Toten aus einer Kirchengemeinde sind die Grundgestalt für alle weiteren Entwicklungen. Nach den Einigungskriegen der 1860er Jahre und nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/71 entstehen neue Gedenktafeln – ohne Anordnung von oben, auf Initiative der Presbyterien. Meist sind sie aufwendiger gearbeitet: Neben den Namen zeigen sie Schnitzereien, es finden sich auch Stein- oder
Marmortafeln, nicht selten in zeittypischen neugotischen Formen. Neben wenigen militärischen Symbolen (Eisernes Kreuz, Eichenlaub, Kranz) treten erstmals das erste Mal eindeutig christliche Bezüge auf: “Mit Gott für Kaiser und Reich“. Gelegentlich werden ältere Gedenktafeln ersetzt, mit den hinzugekommenen Namen einheitlich in “moderner“ Weise neu gestaltet und an anderen Orten platziert. Diese Überarbeitung älterer Formate ist auch bei Kirchenrenovierungen oder Neubauten in den Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg zu beobachten.

Dem Zusammenbruch einen Sinn verleihen

Im öffentlichen Raum – zum Beispiel auf dem Kirchenvorplatz – errichtete man nach dem Sieg von 1871 aufwendige Denkmäler. Initiiert von Kriegervereinen oder politischen Institutionen, setzen sie andere Akzente als die nur kirchengemeindlichen Gedenkorte. Solche “politischen Denkmäler“ entstanden gerade auch nach dem Ersten Weltkrieg. Finden sie sich noch heute auf kirchlichen Grundstücken, lohnt es sich also, nach dem genauen Gründungszusammenhang zu fragen.

Die 1920er Jahre sind die “große Zeit“ der Gedenkorte für Gefallene. Es werden neue Formen gesucht, die dem Sterben, der Niederlage und dem Zusammenbruch des national-monarchistisch geprägten Weltbildes einen Sinn verleihen. Die Gedenkorte nehmen an Zahl, im Ausmaß und in politisch-theologischer Hinsicht neue Dimensionen an. Die neuen Formen reichen von Holztafeln mit Namen bis hin zu repräsentativen Gemälden, Mosaiken, Fenstergestaltungen, bildhauerischen Arbeiten in Holz, Stein und Metall sowie zahlreichen Mischformen. Gedenkorte bilden in dieser Epoche einen Schwerpunkt kirchlicher Ausstattung. Gelegentlich handelt es sich um Künstlerentwürfe, zudem finden sie ihren Platz oft an exponierter Stelle.

Pflicht zur Wahrhaftigkeit

Erst in dieser Zeit treten dominant Bibelzitate hinzu, die das aktuelle Geschehen heilsgeschichtlich deuten. Die Toten sollen Christus gleich überhöht werden. Christliche Kreuze nehmen Bezug auf zu den militärisch-nationalen Symbolen (Eisernes Kreuz). Und verschiedene Figuren sind Teil der Deutungsarbeit: Christus, Engel, Michael als Drachentöter, Soldaten, Weinende, Mütter- oder Kinderfiguren. Manchmal setzen Schwerter, Helme und Gewehre entsprechende Akzente zwischen Trost und Trotz.

Nach dem Zweiten Weltkrieg setzt sich die Tradition von Gefallenenehrungen fort. Auch der Evangelische Kirchbautag macht sie 1957 zum Thema: Die Gestaltung dürfe “heute nicht mehr unter dem Gedanken der Menschen- oder Heldenehrung geschehen [...] Das verbietet nicht nur die Pflicht zur Wahrhaftigkeit, weil der Krieg von der großen Masse unseres Volkes [...] als ein unabwendbares Schicksal und Verhängnis empfunden wurde, sondern auch die Erkenntnis, daß Volk und Vaterland nicht neben Gott gestellt werden können“. Bei aller Vielfalt sind die Gedenkorte zu dieser Zeit tatsächlich gestalterisch und vom Material her bescheidener. Militärische Symbole sind fragwürdig geworden.

Oft finden sich schlichte Tafeln aus Holz, Stein oder Metall mit Namen. In vielen Gemeinden gibt es einfache, kalligrafierte Bücher mit Namen. Turmhallen werden zum Ort neu interpretierten Gedenkens, wo Tafeln oder Bücher mit Fenstern, Reliefs, Gittern oder Kerzen akzentuiert sein können.

Nicht nur in der unmittelbaren Nachkriegszeit werden ältere Gedenkorte ersatzlos entfernt. Dies geschieht auch bei späteren Renovierungsarbeiten. Gelegentlich ersetzen aber auch neu interpretierende Fassungen ältere Gedenkorte. Die Frage nach dem heutigen verantwortungsvollen Umgang mit Gedenkorten bleibt unbequem. Grundlage sollte die Auseinandersetzung mit der Geschichte des jeweiligen Gedenkortes sein.


Der vorliegende Text ist ein Auszug aus der Broschüre "So viele Namen... - Zum Umgang mit Gedenkorten für Kriegstote in Kirchen", herausgegeben vom Evangelischen Erwachsenenbildungswerk Westfalen und Lippe.