Thesenanschlag 2017 – mit Hashtag und 3D-Drucker

Auch im Internet sind zahlreiche Aktionen zum Reformationsjubiläum am Start

1. November 2016

Handy mit der App "Deine These"
Per Smartphone in den Fußstapfen Luthers. (Foto:epd-Bild/Hanno Gutmann)

Stellen wir uns Martin Luther heutzutage vor, nicht mit Flugschriften und Plakaten, sondern mit einem Smartphone in der Hand. Würde er Facebook, Twitter und Instagram nutzen, um für seine Sache zu werben? "Luther würde twittern", ist sich Johannes Süßmann sicher. Der Historiker lehrt an der Universität Paderborn Geschichte der Frühen Neuzeit und beschäftigt sich mit der Kommunikationsstrategie Luthers. Der Reformator sei unglaublich geschickt darin gewesen, Medien zu nutzen, sagt Süßmann. Für Luther seien die Medien nicht nur "Lautsprecher" seiner Ideen gewesen. "Luther brachte in seinen Texten die Distanz, die zwischen Autor und Leser besteht, zum Verschwinden", sagt der Wissenschaftler. Wer, wenn nicht er, würde also die Echtzeit und Unmittelbarkeit von Twitter schätzen?

Impuls zum Mitmachen

Entsprechend eignet sich heute die Dynamik sozialer Netzwerke, um die Reformation zum 500. Jahrestag von Luthers Thesenanschlag ins Gespräch zu bringen. Einige Beispiele für Internet-Aktivitäten gibt es: #95Thesen arbeitet auf Twitter direkt mit dem Erbe Luthers: "Man spricht immer von Luthers 95 Thesen, weiß aber eigentlich gar nicht was das ist", sagt Andrea Fußstetter von der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt. Auf Facebook und Twitter stelle man jede Woche eine These vor, 95 Wochen lang.

Das Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP) in Frankfurt am Main ruft unter dem Schlagwort #reformaction2017 dazu auf, bis zum Reformationsjubiläum 2017 das Vaterunser in verschiedenen Sprachen und Dialekten einzusprechen und hochzuladen. Ziel: Mindestens 500 verschiedene Variationen des Gebets. Das Angebot solle vor allem "Spaß bringen", sagt Thorsten Spille, verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit im GEP.

Das nicht-kirchliche Projekt "Here I stand..." nutzt alle Formen der modernen Technik. Es erinnert an Luthers berühmten Ausspruch "Hier stehe ich, ich kann nicht anders" und ist ein Internet-Ausstellungsprojekt. Interaktive Infografiken, animierte Comics und 3D-Gemälde mit Beschreibung klären über Lutherstädte und über Politik und Gesellschaft während der Reformation auf. Die Internetseite laufe unter einer freien Lizenz, die Interessierte ermuntere, die Homepage über soziale Netzwerke zu teilen, sagt der Verantwortliche Robert Kluth vom Deutschen Historischen Museum in Berlin.

Thesen gesucht

Zusätzlich könne man sich dann 3D-eingescannte Skizzen von Originalexponaten herunterladen und am 3D-Drucker fertigen lassen. Eine Lutherbüste oder einen Pfeif-Vogel zum Beispiel, mit dem der kleine Martin gespielt hat. Das ganze Projekt sei eine "Do-it-yourself-Geschichte", sagt Kluth, und orientiere sich damit an der reformatorischen Idee. Jeder könne sich informieren, auch unabhängig von der Institution Museum.

"Gesucht: Thesen, die deine Welt verändern", heißt ein weiteres Projekt. Initiiert von der Staatlichen Geschäftsstelle "Luther 2017" in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Kirche in Deutschland sind vor allem junge Menschen aufgefordert, Ideen zu formulieren und auf der Onlineseite deine-these.de zu veröffentlichen. Über 260 Thesen sind bereits online – "Wer nicht zuhören kann, lässt niemanden reden" heißt eine, eine andere: "Du kannst Personen gerne in Schubladen stecken. Lasse die Schublade aber auf, damit die Person diese verlassen kann!" "Wir verstehen die Aktion als Impuls, sich konstruktiv mit dem gesellschaftlichen Zusammenleben zu beschäftigen", sagt Geschäftsführerin Astrid Mühlmann. Vor allem wolle man damit die Wirkung der Reformation in das Hier und Heute tragen.

Luthers Kommunikation habe direkt darauf abgezielt, Stimmung zu machen, sagt Historiker Süßmann. Er sei ein Meister darin gewesen, die Öffentlichkeit zu mobilisieren – dort, wo er sie brauchte. Ob die geplanten Online-Aktionen zum Reformationsjubiläum an Luthers Erfolg anknüpfen können, muss sich zeigen.

Elisa Makowski (epd)/ekd.de