Zwischen Klausur und Reichstag
In Augsburg und Coburg hat Martin Luther historische Spuren hinterlassen
8. Oktober 2016
Die Protestanten haben es vor allem dem heißen Sommer in Augsburg 1530 zu verdanken, dass sie mit ihrer Kirchengründung einen entscheidenden Schritt vorankamen. Als der sächsische Kanzler Christian Beyer während des Reichstags am 25. Juni 1530 die "Confessio Augustana", die große lutherische Bekenntnisschrift, "laut und ganz wohl" auf deutsch verlas, öffnete ein Bediensteter wegen der schwülen Hitze im Kapitelsaal der Augsburger Residenz die Fenster. Im Hof standen Kopf an Kopf die schon dem neuen Glauben zugeneigten Augsburger Bürger und verbreiteten schnell die "Neue Lehre" des Reformators Martin Luther.
Drohender Scheiterhaufen
Die Reichsstadt Augsburg kannte Luther jedoch bereits von einer sehr unangenehmen und gefährlichen Disputation mit dem päpstlichen Legaten Cajetan. Im Oktober 1518 wurde er nach Augsburg einbestellt, um vor Cajetan Rede und Antwort zu stehen. Luther vertrat zwar unbeirrt seinen Standpunkt, fühlte sich aber zunehmend in Gefahr, als "Ketzer" verfolgt zu werden. Den "gerüsteten Scheiterhaufen" habe er vor Augen gesehen, weshalb er durch ein kleines Tor fluchtartig die Stadt verließ.
Arbeiten wie ein Berserker
Auch auf der Veste Coburg, dem Zufluchtsort Luthers während des Augsburger Reichstags, hat der Reformator seine Spuren hinterlassen. Seine damaligen Wohnräume sind als "Lutherzimmer" Anziehungspunkt für die Museumsräume der Veste. Ein halbes Jahr lebte Luther auf der Burg – beschützt von zwölf Nachtwächtern und zwei Türmern. Auch für das leibliche Wohl war ausreichend gesorgt: Luther und seine Gäste sollen reichlich konsumiert haben. Es kam so häufig Besuch – vor allem Freunde aus dem relativ nahegelegenen Nürnberg und die Reformatorin Argula von Grumbach – dass Luther schon befürchtete, die Veste werde "zu einer allgemeinen Wallfahrt".
In Augsburg wurde auch nach dem Reichstag weiterhin Kirchengeschichte geschrieben: Der Augsburger Religionsfrieden von 1555 setzte den blutigen Auseinandersetzungen zwischen den Konfessionen ein Ende und bescherte den Augsburgern mit dem "Hohen Friedensfest" einen Spezial-Feiertag. 1999 unterzeichneten Vertreter der katholischen und der evangelischen Kirche in einem feierlichen Akt in der Annakirche die "Gemeinsame Erklärung", mit der sie alte Gräben aus der Reformationszeit einebneten.
Auch in Coburg, das zu dem illustren Kreis der "Reformationsstädte Europas" gehört, steht das Jubiläumsjahr 2017 ganz im Zeichen des Reformators. Die Bayerische Landesausstellung wird vom 9. Mai bis 5. November an die Zeit Luthers auf der Veste erinnern.
Achim Schmid (epd)