Ein wichtiger Schritt zur Versöhnung

Evangelische und katholische Kirche legen Gemeinsames Wort zum Reformationsjubiläum vor

16. September 2016

Heinrich Bedford-Strohm und Reinhard Kardinal Marx
Heinrich Bedford Strohm und Reinhard Marx setzen auf Gemeinschaft im Jubiläumsjahr. (Foto:epd-Bild/Mck)

Mit einer gemeinsamen Erklärung wollen die evangelische und die katholische Kirche in Deutschland zum 500. Reformationsjubiläum im nächsten Jahr Versöhnung und Dialog in den Mittelpunkt stellen. Am 16. September – genau ein Jahr vor einer zentralen gemeinsamen Veranstaltung in Bochum – präsentierten der Ratsvorsitzende der EKD, Heinrich Bedford-Strohm, und der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, in München das Gemeinsame Wort "Erinnerung heilen - Jesus Christus bezeugen".

Vor 50 Jahren wäre solch ein gemeinsamer Start in ein Lutherjubiläum undenkbar gewesen, sagte Marx und nannte die Präsentation des Textes "ein fast revolutionäres Ereignis". Erstmals werde ein Reformationsjubiläum in ökumenischer Gemeinschaft begangen.

Die Erklärung ist Teil des Prozesses zur "Heilung der Erinnerung" (Healing of memories), in dem sich die beiden Kirchen darauf geeinigt haben, "die Trennungen der Kirchen ehrlich anzuschauen, ihre leidvollen Auswirkungen zu bedenken und Gott und einander um Vergebung für das Versagen auf beiden Seiten zu bitten". Heinrich Bedford-Strohm nannte etwa die konfessionsverbindenden Ehen, die noch "bis hinein ins 20. Jahrhundert nicht selten zu familiären Katastrophen wurden".

Gemeinsame Basis, gemeinsame Feier

Der EKD-Ratsvorsitzende würdigte die Vorbereitung des Dokuments als "gemeinsame Lerngeschichte". Es sei nicht länger nötig, sich durch Abgrenzung stark machen zu müssen. Die Grundeinsichten – "Konzentration auf Christus als Herz Gottes, auf die Heilige Schrift als Quelle unseres Hörens auf Gott, die Zentrierung auf die Gnade als Basis aller Befreiung des Menschen" – seien hinreichend durchdacht und müssten nicht mehr als trennend verstanden werden. Mit den bleibenden Unterschieden "können wir besser umgehen als frühere Generationen", bekräftigte Bedford-Strohm.

500 Jahre Reformation wollen Protestanten und Katholiken als Christusfest feiern. Dabei hätten "ökumenische Buß- und Versöhnungsgottesdienste eine Schlüsselstellung", heißt es. Dem Gemeinsamen Wort beigegeben ist eine Liturgie zur zentralen Feier des Rates der EKD und der Deutschen Bischofskonferenz, die am 11. März 2017 in Hildesheim stattfinden soll.

In einem 2015 veröffentlichten Briefwechsel hatten Bedford-Strohm und Marx vereinbart, das Jubiläum ökumenisch als Christusfest zu begehen. Bereits im Oktober ist eine gemeinsame Pilgerreise von Mitgliedern des Rates der EKD und der Deutschen Bischofskonferenz ins Heilige Land geplant. Im Februar folgt eine gemeinsame Tagung in Stuttgart, bei der die überarbeiteten Bibelübersetzungen (revidierte Einheitsübersetzung und Lutherbibel) im Zentrum stehen.

"Geduldig und zielstrebig weitergehen"

Am 14. September 2017 lädt die EKD ihre ökumenischen Partner zu einem Gedenkgottesdienst nach Trier ein. Am 16. September 2017 folgt eine gemeinsame Veranstaltung von Deutschem Evangelischen Kirchentag, dem Zentralkomitee der Deutschen Katholiken, EKD und Deutscher Bischofskonferenz in Bochum. Sie will das Zeugnis nach außen stärken und das Bewusstsein der gemeinsamen Verantwortung für die Gesellschaft schärfen.

Das Jubiläum solle in "Bereitschaft zu Vergebung und Aufbruch" begangen werden, schreiben die obersten Repräsentanten der beiden Kirchen im Vorwort zu dem Text. "Um das rechte Verständnis der Wahrheit des Evangeliums muss weiter gerungen werden", heißt es in dem Gemeinsamen Wort. Grundlegende Fragen des Kirchen- und des Amtsverständnisses seien bei aller Annäherung bis heute nicht gemeinsam beantwortet worden. Doch sei es Ziel, "auf dem ökumenischen Weg geduldig und zielstrebig weiterzugehen, damit die Einheit unter uns weiter wächst und Abendmahls- und Eucharistiegemeinschaft möglich wird". Eine schnelle Lösung werde es aber "aller Voraussicht nach nicht geben".

Die Verbundenheit der Christen allein an der Frage des gemeinsamen Abendmahls festzumachen, lehnen Marx wie auch Bedford-Strohm indes ab. Gleichwohl hätten beide die Hoffnung, «dass wir auch hier vorankommen», sagte der Münchner Erzbischof Marx. Eine falsche Erwartung an die Ökumene wäre aus Sicht Bedford-Strohms auch, eine «einheitliche Organisation» anzustreben. Maßstab sei «versöhnte Verschiedenheit». «Einheit bedeutet nicht, dass alle einer Meinung sind», pflichtete Kardinal Marx bei. «Bitte keine Uniformität der Christen», rief er geradezu warnend aus. (epd/ekd)


Evangelische und katholische Kirche in Deutschland wollen zum 500. Reformationsjubiläum gemeinsam nach Wegen zur Versöhnung suchen. Für das "Healing of Memories", deutsch: "Heilung der Erinnerungen", gibt es weltweit Vorbilder. So stand der Versöhnungsprozess nach dem Ende der Apartheid in Südafrika unter der Überschrift "Healing of Memories". Vertreter der Kirchen waren maßgeblich daran beteiligt. Im engeren Sinn ist "Healing of Memories" ein seelsorgerlich-therapeutisches Verfahren in der Täter-Opfer-Arbeit. In den vergangenen Jahren wurde der Begriff aber auf Aussöhnungen zwischen Religionsgemeinschaften, Kulturen und Volksgruppen erweitert, so zum Beispiel in Nordirland, aber auch in Bulgarien, Ungarn, Serbien und Bosnien-Herzegowina.

"Healing of Memories" meint Heilung der Erinnerungen, aber auch Heilung durch Erinnerungen. Zum einen sollen Wunden und Narben sich verschließen, indem man über das Erlebte spricht (Heilung der Erinnerungen). Zum anderen soll Heilung durch Erinnerungen möglich werden, indem man seinen Blick weitet, um den Konflikt zu verstehen.