Auf dem Weg zum Gesamtkunstwerk

Ein Jahr vor Beginn der Weltausstellung zeigt sich Wittenberg schon gut gerüstet für das Reformationsjubiläum

17. Mai 2016

Schlosskirche Wittenberg mit Baugerüsten
Kräne und Baugerüste rund um die Wittenberger Schlosskirche. (Foto:epd-Bild/Jens Schlüter)

Dass Wittenberg heller und bunter wirkt, liegt nicht nur an der Frühlingssonne: An der Stadtkirche sowie der Schlosskirche sind die Baugerüste gefallen, nur noch Restarbeiten stehen an. Für das Panorama des Künstlers Yadegar Asisi, das im Oktober 2016 eröffnet werden soll, steht schon das Metallgerippe. Am 20. Mai ist die Eröffnung der Weltausstellung Reformation mit dem Titel "Tore der Freiheit" noch ein Jahr entfernt – und schon jetzt präsentiert sich die Lutherstadt gut gewappnet.

Auch am Hauptbahnhof drehen Baufahrzeuge ihre Runden – die Bahn gestaltet bis Ende 2016 die Anlage zum Grünen Bahnhof um, mit Pflanzen auf dem Dach und einem klimaneutralen Empfangsgebäude. "Bei der Hardware, also den Bauvorhaben, sind wir auf der Zielgeraden", sagt Oberbürgermeister Torsten Zugehör (parteilos). Seit dem Start der Dekade 2008, die zum 500. Reformationsjubiläum 2017 führt, hat Wittenberg einen Aufschwung erlebt.

Von 2009 bis 2015 wurde am und auf dem Arsenalplatz die größte städtebauliche Wunde im Zentrum geschlossen. Als letztes Teilprojekt öffnete auf dem Gelände des früheren Franziskanerklosters die Historische Stadtinformation ihre Türen. Und mehr als 40 Millionen Euro ließen sich Investoren das nagelneue Einkaufszentrum "Arsenal" mit gut 300 Geschäften kosten.

Realer Ort der Geschichte

Nötig sei jetzt die Software – vor allem eigene städtische Kulturprogramme, die sich unter anderem auch mit Wittenberg als Industriestandort befassen, sagt Zugehör. Denn aus der Bürgerschaft kämen etwa Fragen, wie denn in der Weltausstellung mit den Bereichen der Ökumene und Spiritualität umgegangen wird – und was mit den Besuchern dort passiert.

Die Stadt rücke immer mehr in den Fokus als realer Ort, an dem man Geschichte atmen kann, betont Zugehör – "von Wittenberg mit seinen rund 48.000 Einwohnern geht Strahlkraft aus". Internationale Gäste seien tief berührt. Kürzlich seien Koreaner unter Tränen an der Stadtkirche gestanden, weil sie den realen Ort vor sich hatten, an dem Martin Luther gepredigt hat, wie Zugehör berichtet.

"Wir feiern das Reformationsjubiläum, das keine schnöde Party mit bunten Gewändern ist, sondern ein Großereignis mit Inhalten", fügt er hinzu. Dabei werde es auch kontrovers diskutierte Themen wie etwa Frieden und Flüchtlinge geben. Diese nicht aufzugreifen, wäre eine vergebene Chance.

Pilgern zu den Ursprüngen des Glaubens

"Das Wittenberg des Jahres 2017 ist ein Gesamtkunstwerk", sagt der Direktor der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt, Stefan Rhein. Dazu gehörten viele Einzelteile, darunter die Weltausstellung und das Panorama von Asisi – und nicht zuletzt die Nationale Sonderausstellung "Luther! 95 Schätze - 95 Menschen".

Als ein Teil des Gesamtkunstwerkes dürften Lutherhaus und Melanchthonhaus sowie die Stadtkirche und vor allem die Schlosskirche als Ort des Thesenanschlags nicht vergessen werden. Für viele Deutsche sei Wittenberg eher ein Geschichtsausflug, sagt Rhein. Dagegen sei ein Besuch für die ausländischen Gäste, vor allem aus den USA und aus Südkorea, eine Pilgerreise – "zum Ursprungsort ihres Glaubens, zu ihren geistlichen und geistigen Wurzeln".

Auch die Deutsche Unesco-Kommission hat hohe Erwartungen. Die Reformation sei insgesamt eine gesellschaftliche Erneuerungsbewegung mit grenzüberschreitendem Charakter gewesen, sagt Vizepräsident Hartwig Lüdtke. Er freue sich, dass das Jubiläum die Wirkungsstätten Luthers und Dokumente zur Reformation "diesen bedeutsamen Abschnitt der menschlichen Geschichte" einer breiten Öffentlichkeit näher bringe. Seit 1996 sind das Lutherhaus und das Melanchthonhaus der Stiftung sowie die Stadtkirche und die Schlosskirche Unesco-Weltkulturerbe.

In den Lutherstätten ist Stiftungsdirektor Rhein zufolge schon ein Anstieg der Besucherzahlen spürbar, 2017 wird ein deutlicher Rekord erwartet. Die Gästezahlen in den Museen würden sicherlich auch 2018 auf hohem Niveau bleiben, wenngleich auch nicht so stark wie im Jahr des Reformationsjubiläums. "Deshalb ist das Jahr 2017 kein Punkt, sondern ein Doppelpunkt", sagt Rhein.

Karsten Wiedener (epd)